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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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DER ZERBROCHENE
KRUG.

EIn ziegenfüssigter Faun lag unter einer Eiche in
tiefem Schlaf ausgestrekt, und die jungen Hirten,
sahen ihn, wir wollen, sprachen sie, ihn fest an
den Baum binden, und dann soll er uns für die
Loslassung ein Lied singen. Und sie banden ihn
an dem Stamm der Eiche fest, und warfen mit
der gefallenen Frucht des Baumes ihn wach. Wo
bin ich? so sprach der Faun, und gähnte, und
dähnte die Arme und die Ziegenfüsse weit aus,
wo bin ich? Wo ist meine Flöte? Wo ist mein
Krug? Ach! da liegen die Scherben vom schön-
sten Krug! Da ich gestern im Rausch hier sank,
da hab ich ihn zerbrochen - - Aber wer hat
mich festgebunden? so sprach er und sah rings
umher, und hörte das zwitschernde Lachen der
Hirten. Bindet mich los, ihr Knaben, rief er;

Wir
DER ZERBROCHENE
KRUG.

EIn ziegenfüſſigter Faun lag unter einer Eiche in
tiefem Schlaf ausgeſtrekt, und die jungen Hirten,
ſahen ihn, wir wollen, ſprachen ſie, ihn feſt an
den Baum binden, und dann ſoll er uns für die
Loslaſſung ein Lied ſingen. Und ſie banden ihn
an dem Stamm der Eiche feſt, und warfen mit
der gefallenen Frucht des Baumes ihn wach. Wo
bin ich? ſo ſprach der Faun, und gähnte, und
dähnte die Arme und die Ziegenfüſſe weit aus,
wo bin ich? Wo iſt meine Flöte? Wo iſt mein
Krug? Ach! da liegen die Scherben vom ſchön-
ſten Krug! Da ich geſtern im Rauſch hier ſank,
da hab ich ihn zerbrochen ‒ ‒ Aber wer hat
mich feſtgebunden? ſo ſprach er und ſah rings
umher, und hörte das zwitſchernde Lachen der
Hirten. Bindet mich los, ihr Knaben, rief er;

Wir
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[48/0053] DER ZERBROCHENE KRUG. EIn ziegenfüſſigter Faun lag unter einer Eiche in tiefem Schlaf ausgeſtrekt, und die jungen Hirten, ſahen ihn, wir wollen, ſprachen ſie, ihn feſt an den Baum binden, und dann ſoll er uns für die Loslaſſung ein Lied ſingen. Und ſie banden ihn an dem Stamm der Eiche feſt, und warfen mit der gefallenen Frucht des Baumes ihn wach. Wo bin ich? ſo ſprach der Faun, und gähnte, und dähnte die Arme und die Ziegenfüſſe weit aus, wo bin ich? Wo iſt meine Flöte? Wo iſt mein Krug? Ach! da liegen die Scherben vom ſchön- ſten Krug! Da ich geſtern im Rauſch hier ſank, da hab ich ihn zerbrochen ‒ ‒ Aber wer hat mich feſtgebunden? ſo ſprach er und ſah rings umher, und hörte das zwitſchernde Lachen der Hirten. Bindet mich los, ihr Knaben, rief er; Wir

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/53>, abgerufen am 19.04.2024.