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Glauber, Johann Rudolf: Furni Philosophici. Bd. 3. Amsterdam, 1648.

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Philosophischer Oefen.
der du so leichtlich im finstern gläubest/ ob dein Lehrmei-
ster auß der experientz, oder lesung anderer Bücher ge-
schrieben habe? oder ob seine Schrifften durch viel ver-
loffene Zeiten vnd vielem nachschreiben nicht corrum-
pi
ret vnd verändert seyn? oder ob du auch die meinung
solcher Schrifften recht verstehest? Darumb viel besser
ist/ wissen als meinen. Durch das meinen werden viel
verführet/ durch glauben vnd nichts wissen wird manch-
er redlich beschissen. Es wolte mancher gern etwas kön-
nen vnd gesehen seyn/ wans nichts kostete/ weilen aber
die Kohlen so schwartz/ vnd die eiserne Zangen so rustig
seyn/ nimbt mancher lieber ein Zitter oder Fidel in die
hände/ vnd lernet ein Täntzlein darauf spielen/ als daß er
solte seine Hand in die kohlen stecken/ dadurch etwas zu
erlernen/ vnd können solche Leute dem Jüngling beym
Matth. am 19. c. verglichen werden/ welcher wol gern
die Warheit von Christo gelernet hette/ wolte aber in mü-
he vnd arbeit Christo nicht folgen/ sondern lieber sein
Reichthum vnd gute tage behalten/ blieb also der er war.
Es kömbt nimmer von einem hoffärtigen Pfauen/ oder
schwätzhafften Papageyen anders als ein vnannemlich
bey Tag vnd Nacht verdrießliches ruffen vnd schreyen.
Wie manches klein vnd vnachtsam Vögelein aber er-
freuet hingegen mit seinem lieblichen vnd hellen Stim-
lein die Zuhörer? Ist also jammer vnd zu beklagen/ daß
der Menschen Sinne also verkehret seyn/ vnd mehr der
eiteln Welt mit jhrem schädlichen vnd vergänglichen ge-
schmuck so leichtfertig anhangen/ als ernsthafft-ehrlichen
Tugenden vnd Künsten nach trachten. Da doch nichts
edlers/ lieblichers vnd nützlichers (nechst dem seeligma-
chenden Wort Gottes/ dadurch Gottes Wille im dienste

seines
D iij

Philoſophiſcher Oefen.
der du ſo leichtlich im finſtern glaͤubeſt/ ob dein Lehrmei-
ſter auß der experientz, oder leſung anderer Buͤcher ge-
ſchrieben habe? oder ob ſeine Schrifften durch viel ver-
loffene Zeiten vnd vielem nachſchreiben nicht corrum-
pi
ret vnd veraͤndert ſeyn? oder ob du auch die meinung
ſolcher Schrifften recht verſteheſt? Darumb viel beſſer
iſt/ wiſſen als meinen. Durch das meinen werden viel
verfuͤhret/ duꝛch glauben vnd nichts wiſſen wird manch-
er redlich beſchiſſen. Es wolte mancher gern etwas koͤn-
nen vnd geſehen ſeyn/ wans nichts koſtete/ weilen aber
die Kohlen ſo ſchwartz/ vnd die eiſerne Zangen ſo ruſtig
ſeyn/ nimbt mancher lieber ein Zitter oder Fidel in die
haͤnde/ vnd lernet ein Taͤntzlein darauf ſpielen/ als daß er
ſolte ſeine Hand in die kohlen ſtecken/ dadurch etwas zu
erlernen/ vnd koͤnnen ſolche Leute dem Juͤngling beym
Matth. am 19. c. verglichen werden/ welcher wol gern
die Warheit von Chriſto gelernet hette/ wolte aber in muͤ-
he vnd arbeit Chriſto nicht folgen/ ſondern lieber ſein
Reichthum vnd gute tage behaltẽ/ blieb alſo der er war.
Es koͤmbt nimmer von einem hoffaͤrtigen Pfauen/ oder
ſchwaͤtzhafften Papageyen anders als ein vnannemlich
bey Tag vnd Nacht verdrießliches ruffen vnd ſchreyen.
Wie manches klein vnd vnachtſam Voͤgelein aber er-
freuet hingegen mit ſeinem lieblichen vnd hellen Stim-
lein die Zuhoͤrer? Iſt alſo jammer vnd zu beklagen/ daß
der Menſchen Sinne alſo verkehret ſeyn/ vnd mehr der
eiteln Welt mit jhꝛem ſchaͤdlichen vnd veꝛgaͤnglichen ge-
ſchmuck ſo leichtfertig anhangen/ als ernſthafft-ehrlichẽ
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[53/0057] Philoſophiſcher Oefen. der du ſo leichtlich im finſtern glaͤubeſt/ ob dein Lehrmei- ſter auß der experientz, oder leſung anderer Buͤcher ge- ſchrieben habe? oder ob ſeine Schrifften durch viel ver- loffene Zeiten vnd vielem nachſchreiben nicht corrum- piret vnd veraͤndert ſeyn? oder ob du auch die meinung ſolcher Schrifften recht verſteheſt? Darumb viel beſſer iſt/ wiſſen als meinen. Durch das meinen werden viel verfuͤhret/ duꝛch glauben vnd nichts wiſſen wird manch- er redlich beſchiſſen. Es wolte mancher gern etwas koͤn- nen vnd geſehen ſeyn/ wans nichts koſtete/ weilen aber die Kohlen ſo ſchwartz/ vnd die eiſerne Zangen ſo ruſtig ſeyn/ nimbt mancher lieber ein Zitter oder Fidel in die haͤnde/ vnd lernet ein Taͤntzlein darauf ſpielen/ als daß er ſolte ſeine Hand in die kohlen ſtecken/ dadurch etwas zu erlernen/ vnd koͤnnen ſolche Leute dem Juͤngling beym Matth. am 19. c. verglichen werden/ welcher wol gern die Warheit von Chriſto gelernet hette/ wolte aber in muͤ- he vnd arbeit Chriſto nicht folgen/ ſondern lieber ſein Reichthum vnd gute tage behaltẽ/ blieb alſo der er war. Es koͤmbt nimmer von einem hoffaͤrtigen Pfauen/ oder ſchwaͤtzhafften Papageyen anders als ein vnannemlich bey Tag vnd Nacht verdrießliches ruffen vnd ſchreyen. Wie manches klein vnd vnachtſam Voͤgelein aber er- freuet hingegen mit ſeinem lieblichen vnd hellen Stim- lein die Zuhoͤrer? Iſt alſo jammer vnd zu beklagen/ daß der Menſchen Sinne alſo verkehret ſeyn/ vnd mehr der eiteln Welt mit jhꝛem ſchaͤdlichen vnd veꝛgaͤnglichen ge- ſchmuck ſo leichtfertig anhangen/ als ernſthafft-ehrlichẽ Tugenden vnd Kuͤnſten nach trachten. Da doch nichts edlers/ lieblichers vnd nuͤtzlichers (nechſt dem ſeeligma- chenden Wort Gottes/ dadurch Gottes Wille im dienſte ſeines D iij

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Zitationshilfe: Glauber, Johann Rudolf: Furni Philosophici. Bd. 3. Amsterdam, 1648, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glauber_furni03_1648/57>, abgerufen am 25.04.2024.