Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

mit einigen Vorsatze zu besondern Absichten mit ein-
ander zu verwechseln gut gefunden, welches die
Nachläßigkeit noch mehr begünstiget hat. Durch
den Aberglauben bey einigen alten berühm-
ten morgenländischen Völkern ist dieser Irrthum
mit andern zugleich unterhalten, und nach den
Abendländern fortgepflanzt worden, wo ihn gewisse
Arten von Leuten eine geraume Zeit beyzubehalten
recht zuträglich gefunden haben.

Mandragora selbst hat zwar von jeher und
bis zu unsern Zeiten einen wohlbestimmten oder doch
leicht zu bestimmenden Naturkörper aus dem Pflan-
zenreiche bedeutet, man hat diesen bey den Grie-
chen und Römern gekannt, aber nur sehr unvoll-
kommen und gleichsam schwankend beschrieben.

Durch den unter den Juden, Heyden und
Christen herrschenden Aberglauben hingegen sind
die Namen, Eigenschaften, Wirkungen, Gebrauch
und Nachrichten von der Dudaim, der Baaras, und
der in gar verschiedenen Verstande zu nehmenden Al-
raunen
mit den von der Mandragora verwechselt
worden, wodurch man eine so große Verwirrung
angerichtet, daß auch die gelehrtesten Sprachver-
ständigen und Ausleger alter Schriften jener und
dieser Zeiten, aus Mangel an Kenntnissen in der
Naturgeschichte, nichts vortheilhaftes dagegen aus-
richten können. Indessen zeigen sich unter dem di-
cken Nebel der zerstümmelten Nachrichten und
Menge der Erdichtungen doch immer einzelne Spu-

ren

mit einigen Vorſatze zu beſondern Abſichten mit ein-
ander zu verwechſeln gut gefunden, welches die
Nachlaͤßigkeit noch mehr beguͤnſtiget hat. Durch
den Aberglauben bey einigen alten beruͤhm-
ten morgenlaͤndiſchen Voͤlkern iſt dieſer Irrthum
mit andern zugleich unterhalten, und nach den
Abendlaͤndern fortgepflanzt worden, wo ihn gewiſſe
Arten von Leuten eine geraume Zeit beyzubehalten
recht zutraͤglich gefunden haben.

Mandragora ſelbſt hat zwar von jeher und
bis zu unſern Zeiten einen wohlbeſtimmten oder doch
leicht zu beſtimmenden Naturkoͤrper aus dem Pflan-
zenreiche bedeutet, man hat dieſen bey den Grie-
chen und Roͤmern gekannt, aber nur ſehr unvoll-
kommen und gleichſam ſchwankend beſchrieben.

Durch den unter den Juden, Heyden und
Chriſten herrſchenden Aberglauben hingegen ſind
die Namen, Eigenſchaften, Wirkungen, Gebrauch
und Nachrichten von der Dudaim, der Baaras, und
der in gar verſchiedenen Verſtande zu nehmenden Al-
raunen
mit den von der Mandragora verwechſelt
worden, wodurch man eine ſo große Verwirrung
angerichtet, daß auch die gelehrteſten Sprachver-
ſtaͤndigen und Ausleger alter Schriften jener und
dieſer Zeiten, aus Mangel an Kenntniſſen in der
Naturgeſchichte, nichts vortheilhaftes dagegen aus-
richten koͤnnen. Indeſſen zeigen ſich unter dem di-
cken Nebel der zerſtuͤmmelten Nachrichten und
Menge der Erdichtungen doch immer einzelne Spu-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="2"/>
mit einigen Vor&#x017F;atze zu be&#x017F;ondern Ab&#x017F;ichten mit ein-<lb/>
ander zu verwech&#x017F;eln gut gefunden, welches die<lb/>
Nachla&#x0364;ßigkeit noch mehr begu&#x0364;n&#x017F;tiget hat. Durch<lb/>
den Aberglauben bey einigen alten beru&#x0364;hm-<lb/>
ten morgenla&#x0364;ndi&#x017F;chen Vo&#x0364;lkern i&#x017F;t die&#x017F;er Irrthum<lb/>
mit andern zugleich unterhalten, und nach den<lb/>
Abendla&#x0364;ndern fortgepflanzt worden, wo ihn gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Arten von Leuten eine geraume Zeit beyzubehalten<lb/>
recht zutra&#x0364;glich gefunden haben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Mandragora</hi> &#x017F;elb&#x017F;t hat zwar von jeher und<lb/>
bis zu un&#x017F;ern Zeiten einen wohlbe&#x017F;timmten oder doch<lb/>
leicht zu be&#x017F;timmenden Naturko&#x0364;rper aus dem Pflan-<lb/>
zenreiche bedeutet, man hat die&#x017F;en bey den Grie-<lb/>
chen und Ro&#x0364;mern gekannt, aber nur &#x017F;ehr unvoll-<lb/>
kommen und gleich&#x017F;am &#x017F;chwankend be&#x017F;chrieben.</p><lb/>
        <p>Durch den unter den Juden, Heyden und<lb/>
Chri&#x017F;ten herr&#x017F;chenden Aberglauben hingegen &#x017F;ind<lb/>
die Namen, Eigen&#x017F;chaften, Wirkungen, Gebrauch<lb/>
und Nachrichten von der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Dudaim</hi>,</hi> der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Baaras</hi>,</hi> und<lb/>
der in gar ver&#x017F;chiedenen Ver&#x017F;tande zu nehmenden <hi rendition="#fr">Al-<lb/>
raunen</hi> mit den von der <hi rendition="#fr">Mandragora</hi> verwech&#x017F;elt<lb/>
worden, wodurch man eine &#x017F;o große Verwirrung<lb/>
angerichtet, daß auch die gelehrte&#x017F;ten Sprachver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen und Ausleger alter Schriften jener und<lb/>
die&#x017F;er Zeiten, aus Mangel an Kenntni&#x017F;&#x017F;en in der<lb/>
Naturge&#x017F;chichte, nichts vortheilhaftes dagegen aus-<lb/>
richten ko&#x0364;nnen. Inde&#x017F;&#x017F;en zeigen &#x017F;ich unter dem di-<lb/>
cken Nebel der zer&#x017F;tu&#x0364;mmelten Nachrichten und<lb/>
Menge der Erdichtungen doch immer einzelne Spu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0012] mit einigen Vorſatze zu beſondern Abſichten mit ein- ander zu verwechſeln gut gefunden, welches die Nachlaͤßigkeit noch mehr beguͤnſtiget hat. Durch den Aberglauben bey einigen alten beruͤhm- ten morgenlaͤndiſchen Voͤlkern iſt dieſer Irrthum mit andern zugleich unterhalten, und nach den Abendlaͤndern fortgepflanzt worden, wo ihn gewiſſe Arten von Leuten eine geraume Zeit beyzubehalten recht zutraͤglich gefunden haben. Mandragora ſelbſt hat zwar von jeher und bis zu unſern Zeiten einen wohlbeſtimmten oder doch leicht zu beſtimmenden Naturkoͤrper aus dem Pflan- zenreiche bedeutet, man hat dieſen bey den Grie- chen und Roͤmern gekannt, aber nur ſehr unvoll- kommen und gleichſam ſchwankend beſchrieben. Durch den unter den Juden, Heyden und Chriſten herrſchenden Aberglauben hingegen ſind die Namen, Eigenſchaften, Wirkungen, Gebrauch und Nachrichten von der Dudaim, der Baaras, und der in gar verſchiedenen Verſtande zu nehmenden Al- raunen mit den von der Mandragora verwechſelt worden, wodurch man eine ſo große Verwirrung angerichtet, daß auch die gelehrteſten Sprachver- ſtaͤndigen und Ausleger alter Schriften jener und dieſer Zeiten, aus Mangel an Kenntniſſen in der Naturgeſchichte, nichts vortheilhaftes dagegen aus- richten koͤnnen. Indeſſen zeigen ſich unter dem di- cken Nebel der zerſtuͤmmelten Nachrichten und Menge der Erdichtungen doch immer einzelne Spu- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/12
Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/12>, abgerufen am 19.04.2024.