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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789.

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nutz derjenigen, welche diese Wurzel zuerst entdeckten,
und ihre geheime Eigenschaften anpriesen, in der Ab-
sicht, einen desto größern Vortheil durch ihren Ver-
kauf zu machen. In China gelingen diese Künste
leicht. Man hat große Begriffe von den verborge-
nen Eigenschaften der natürlichen Dinge, und nir-
gends kommt die Marktschreyerey besser zurechte, als
unter diesem Volke, dem von der Kenntniß einer ge-
sunden Weltweisheit und Naturlehre sehr wenig be-
kannt ist. Die Begierde, welche auf diese Art jeder-
mann nach den Ginsong zeigte, und der große Werth,
welchen man darauf setzte, veranlaßte den Kaiser gar
bald, sich den Handel ganz allein zuzueignen, um sei-
ne Kasse dadurch zu bereichern. Zu diesem Ende ließ
er den Platz, worauf der Ginsong in der Provinz
Leckton wächst, mit Stacketten einfassen, auch Wa-
chen umherstellen, um die Chineser abzuhalten, diese
Wurzel zu suchen.

Der Kayser sendete zu gehöriger Zeit viele tau-
send Tartarn ab, die unter seiner Herrschaft stehen,
um den Ginsong einzusammlen. Man beobachtet da-
bey die größte Ordnung, und bey der ganzen Arbeit
wird die größte Sorgfalt angewendet. Die armen
Menschen, welche hierzu bestimmt sind, haben jedoch
vieles auszustehen. Die Pflanze selbst wächset auf
hohen Bergen, welche mit vielen Wäldern bewach-
sen sind, und wohin der Zugang sehr beschwerlich ist.
Die Wurzel steckt tief in der Erde, woraus sie gegra-
ben werden muß. Die Arbeit selbst erfordert eine
Zeit von verschiedenen Monaten, wo die Tartaren aller-
ley Ungemach auszustehen haben. Eine jede Person die-
ses zahlreichen Haufens ist verbunden, zwo Unzen Gin-
song dem Kaiser zu liefern, welche rein, und von der
besten Gattung seyn müssen, und das übrige, wel-
ches sie noch für sich haben sammlen können, dem
Kaiser für so viel an Silber zu verkaufen, als die

Waare

nutz derjenigen, welche dieſe Wurzel zuerſt entdeckten,
und ihre geheime Eigenſchaften anprieſen, in der Ab-
ſicht, einen deſto groͤßern Vortheil durch ihren Ver-
kauf zu machen. In China gelingen dieſe Kuͤnſte
leicht. Man hat große Begriffe von den verborge-
nen Eigenſchaften der natuͤrlichen Dinge, und nir-
gends kommt die Marktſchreyerey beſſer zurechte, als
unter dieſem Volke, dem von der Kenntniß einer ge-
ſunden Weltweisheit und Naturlehre ſehr wenig be-
kannt iſt. Die Begierde, welche auf dieſe Art jeder-
mann nach den Ginſong zeigte, und der große Werth,
welchen man darauf ſetzte, veranlaßte den Kaiſer gar
bald, ſich den Handel ganz allein zuzueignen, um ſei-
ne Kaſſe dadurch zu bereichern. Zu dieſem Ende ließ
er den Platz, worauf der Ginſong in der Provinz
Leckton waͤchſt, mit Stacketten einfaſſen, auch Wa-
chen umherſtellen, um die Chineſer abzuhalten, dieſe
Wurzel zu ſuchen.

Der Kayſer ſendete zu gehoͤriger Zeit viele tau-
ſend Tartarn ab, die unter ſeiner Herrſchaft ſtehen,
um den Ginſong einzuſammlen. Man beobachtet da-
bey die groͤßte Ordnung, und bey der ganzen Arbeit
wird die groͤßte Sorgfalt angewendet. Die armen
Menſchen, welche hierzu beſtimmt ſind, haben jedoch
vieles auszuſtehen. Die Pflanze ſelbſt waͤchſet auf
hohen Bergen, welche mit vielen Waͤldern bewach-
ſen ſind, und wohin der Zugang ſehr beſchwerlich iſt.
Die Wurzel ſteckt tief in der Erde, woraus ſie gegra-
ben werden muß. Die Arbeit ſelbſt erfordert eine
Zeit von verſchiedenen Monaten, wo die Tartaren aller-
ley Ungemach auszuſtehen haben. Eine jede Perſon die-
ſes zahlreichen Haufens iſt verbunden, zwo Unzen Gin-
ſong dem Kaiſer zu liefern, welche rein, und von der
beſten Gattung ſeyn muͤſſen, und das uͤbrige, wel-
ches ſie noch fuͤr ſich haben ſammlen koͤnnen, dem
Kaiſer fuͤr ſo viel an Silber zu verkaufen, als die

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[140/0150] nutz derjenigen, welche dieſe Wurzel zuerſt entdeckten, und ihre geheime Eigenſchaften anprieſen, in der Ab- ſicht, einen deſto groͤßern Vortheil durch ihren Ver- kauf zu machen. In China gelingen dieſe Kuͤnſte leicht. Man hat große Begriffe von den verborge- nen Eigenſchaften der natuͤrlichen Dinge, und nir- gends kommt die Marktſchreyerey beſſer zurechte, als unter dieſem Volke, dem von der Kenntniß einer ge- ſunden Weltweisheit und Naturlehre ſehr wenig be- kannt iſt. Die Begierde, welche auf dieſe Art jeder- mann nach den Ginſong zeigte, und der große Werth, welchen man darauf ſetzte, veranlaßte den Kaiſer gar bald, ſich den Handel ganz allein zuzueignen, um ſei- ne Kaſſe dadurch zu bereichern. Zu dieſem Ende ließ er den Platz, worauf der Ginſong in der Provinz Leckton waͤchſt, mit Stacketten einfaſſen, auch Wa- chen umherſtellen, um die Chineſer abzuhalten, dieſe Wurzel zu ſuchen. Der Kayſer ſendete zu gehoͤriger Zeit viele tau- ſend Tartarn ab, die unter ſeiner Herrſchaft ſtehen, um den Ginſong einzuſammlen. Man beobachtet da- bey die groͤßte Ordnung, und bey der ganzen Arbeit wird die groͤßte Sorgfalt angewendet. Die armen Menſchen, welche hierzu beſtimmt ſind, haben jedoch vieles auszuſtehen. Die Pflanze ſelbſt waͤchſet auf hohen Bergen, welche mit vielen Waͤldern bewach- ſen ſind, und wohin der Zugang ſehr beſchwerlich iſt. Die Wurzel ſteckt tief in der Erde, woraus ſie gegra- ben werden muß. Die Arbeit ſelbſt erfordert eine Zeit von verſchiedenen Monaten, wo die Tartaren aller- ley Ungemach auszuſtehen haben. Eine jede Perſon die- ſes zahlreichen Haufens iſt verbunden, zwo Unzen Gin- ſong dem Kaiſer zu liefern, welche rein, und von der beſten Gattung ſeyn muͤſſen, und das uͤbrige, wel- ches ſie noch fuͤr ſich haben ſammlen koͤnnen, dem Kaiſer fuͤr ſo viel an Silber zu verkaufen, als die Waare

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Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen03_1789/150>, abgerufen am 28.03.2024.