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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
§. 24.
Von der gesezgebenden Gewalt in Teutschland.

Dem göttlichen wird das menschliche Posi-
tivrecht
entgegengesezt, welches diejenigen Gesetze in
sich begreift, die in dem Willen menschlicher Gesezgeber
ihren Grund haben. Dieses ist daher nach Verschie-
denheit der Gesezgeber sehr verschieden. Wir schränken
uns hier blos auf Teutschland ein. Da nun das
teutsche Reich nach seiner besondern Verfassung, theils
im Ganzen, als ein Staatscörper, von einer bürgerli-
chen Hoheit, der alles unterthänig ist, umfangen, theils
nach seinen einzelnen Theilen betrachtet werden kann,
deren jeder für sich zwar einen besondern Staat aus-
macht, und seine eigne der Majestät des Reichs unter-
geordnete Landeshoheit hat, aber doch mit dem gan-
zen Reich im genauesten Verhältnis stehet, so sind nun
auch die einheimischen Gesetze Teutschlands von zweier-
ley Art, teutsche Reichsgesetze oder teutsche Lan-
desgesetze
. In Absicht auf das ganze teutsche Reich
stehet zwar dem Kayser die gesezgebende Gewalt zu, je-
doch kann er vor sich aus eigner Macht keine Gesetze ge-
ben, welche durch das ganze teutsche Reich gelten sol-
len, sondern dazu ist die Einwilligung der Reichsstände
erforderlich. Die gesezgebende Gewalt des Kaysers ge-
hört also zu denen gemeinschaftlichen kayserli-
chen Rechten
, bey deren Ausübung gleich Anfangs,
als Teutschland durch die Verdüner Theilung 843.
ein eignes Reich ward, der Consens der Reichsstände
erfordert worden ist 67). Daß alle Stände in das zu
gebende neue Reichsgesez einwilligen müsten, wolte man

zwar
67) Häberlins Auszug der allgem. Welthistorie 1. Band S.
335. 8. B. S. 444. 10. Band S. 181.
1. Buch. 1. Tit.
§. 24.
Von der geſezgebenden Gewalt in Teutſchland.

Dem goͤttlichen wird das menſchliche Poſi-
tivrecht
entgegengeſezt, welches diejenigen Geſetze in
ſich begreift, die in dem Willen menſchlicher Geſezgeber
ihren Grund haben. Dieſes iſt daher nach Verſchie-
denheit der Geſezgeber ſehr verſchieden. Wir ſchraͤnken
uns hier blos auf Teutſchland ein. Da nun das
teutſche Reich nach ſeiner beſondern Verfaſſung, theils
im Ganzen, als ein Staatscoͤrper, von einer buͤrgerli-
chen Hoheit, der alles unterthaͤnig iſt, umfangen, theils
nach ſeinen einzelnen Theilen betrachtet werden kann,
deren jeder fuͤr ſich zwar einen beſondern Staat aus-
macht, und ſeine eigne der Majeſtaͤt des Reichs unter-
geordnete Landeshoheit hat, aber doch mit dem gan-
zen Reich im genaueſten Verhaͤltnis ſtehet, ſo ſind nun
auch die einheimiſchen Geſetze Teutſchlands von zweier-
ley Art, teutſche Reichsgeſetze oder teutſche Lan-
desgeſetze
. In Abſicht auf das ganze teutſche Reich
ſtehet zwar dem Kayſer die geſezgebende Gewalt zu, je-
doch kann er vor ſich aus eigner Macht keine Geſetze ge-
ben, welche durch das ganze teutſche Reich gelten ſol-
len, ſondern dazu iſt die Einwilligung der Reichsſtaͤnde
erforderlich. Die geſezgebende Gewalt des Kayſers ge-
hoͤrt alſo zu denen gemeinſchaftlichen kayſerli-
chen Rechten
, bey deren Ausuͤbung gleich Anfangs,
als Teutſchland durch die Verduͤner Theilung 843.
ein eignes Reich ward, der Conſens der Reichsſtaͤnde
erfordert worden iſt 67). Daß alle Staͤnde in das zu
gebende neue Reichsgeſez einwilligen muͤſten, wolte man

zwar
67) Haͤberlins Auszug der allgem. Welthiſtorie 1. Band S.
335. 8. B. S. 444. 10. Band S. 181.
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[156/0176] 1. Buch. 1. Tit. §. 24. Von der geſezgebenden Gewalt in Teutſchland. Dem goͤttlichen wird das menſchliche Poſi- tivrecht entgegengeſezt, welches diejenigen Geſetze in ſich begreift, die in dem Willen menſchlicher Geſezgeber ihren Grund haben. Dieſes iſt daher nach Verſchie- denheit der Geſezgeber ſehr verſchieden. Wir ſchraͤnken uns hier blos auf Teutſchland ein. Da nun das teutſche Reich nach ſeiner beſondern Verfaſſung, theils im Ganzen, als ein Staatscoͤrper, von einer buͤrgerli- chen Hoheit, der alles unterthaͤnig iſt, umfangen, theils nach ſeinen einzelnen Theilen betrachtet werden kann, deren jeder fuͤr ſich zwar einen beſondern Staat aus- macht, und ſeine eigne der Majeſtaͤt des Reichs unter- geordnete Landeshoheit hat, aber doch mit dem gan- zen Reich im genaueſten Verhaͤltnis ſtehet, ſo ſind nun auch die einheimiſchen Geſetze Teutſchlands von zweier- ley Art, teutſche Reichsgeſetze oder teutſche Lan- desgeſetze. In Abſicht auf das ganze teutſche Reich ſtehet zwar dem Kayſer die geſezgebende Gewalt zu, je- doch kann er vor ſich aus eigner Macht keine Geſetze ge- ben, welche durch das ganze teutſche Reich gelten ſol- len, ſondern dazu iſt die Einwilligung der Reichsſtaͤnde erforderlich. Die geſezgebende Gewalt des Kayſers ge- hoͤrt alſo zu denen gemeinſchaftlichen kayſerli- chen Rechten, bey deren Ausuͤbung gleich Anfangs, als Teutſchland durch die Verduͤner Theilung 843. ein eignes Reich ward, der Conſens der Reichsſtaͤnde erfordert worden iſt 67). Daß alle Staͤnde in das zu gebende neue Reichsgeſez einwilligen muͤſten, wolte man zwar 67) Haͤberlins Auszug der allgem. Welthiſtorie 1. Band S. 335. 8. B. S. 444. 10. Band S. 181.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/176>, abgerufen am 29.03.2024.