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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
cherheit des Vormunds aufgetragen, und dabey mit dem-
selben verabredet hätte, daß die Bestellung des Vormunds
bloß auf seine Gefahr geschehe, dieser aber nicht pflichtmäs-
sig verfahren, solcher Vertrag den Pupillen nicht präjudi-
ciren, noch die übrige Mitglieder des Vormundschaftsge-
richts von ihrer Vertretungsverbindlichkeit befreyen solle,
sondern nur so viel bewürke, daß jener zuerst allein fürs
Ganze haften müsse, und erst nach ihm die Vertretung an
die übrigen Beysitzer komme. Hieraus erklärt sich nun,
wenn Papinian in L. 38. D. de pactis sagt: ius pu-
blicum privatorum pactis mutari non pot-
est
;
welches den Sinn hat, was die Gesetze zum gemeinen
Besten verordnet haben, kann durch Privatverträge zum
Nachtheil Anderer nicht abgeändert oder aufgehoben wer-
den. Denn durch Verträge können die Paciscenten
nur über ihr eigenes Interesse disponiren; allein Andern
Rechte und Vortheile zu entziehen, oder zu mindern,
welche ihnen das gemeine Recht gestattet, sind sie nicht
befugt 52). Zuletzt wird Ius publicum auch alles dasjenige
genennet, was die Verwaltung eines öffentlichen Amts
oder Staatsbedienung angehet. So sagt z. B. L. 14. D. ad
Sctum Trebell
. Quod ad ius publicum attinet, non sequitur
ius potestatis,
das heisset, wie der Zusammenhang mit L.
13. §. 5. D. eodem
lehret, wenn ein filiusfamilias ein
öffentliches Amt im Staat bekleidet, so hat ihm der Va-
ter in Amtssachen nichts zu befehlen. Non sequitur,
nehmlich filiusfamilias, ius potestatis, nehmlich patriae,
also ist der Wortverstand, der Sohn kehrt sich an die

Rechte
52) Ius publicum, sagt Ev. otto in Papiniano Cap. X.
§. 6. sey hier nicht illud, quod in sacris, in magistra-
tibus, et sacerdotibus consistit;
sondern soviel als ius
commune
, quod omnium utilitatem respicit,
und werde
dem iuri per conventionem, testamentum aut privile-
gium quaesito
entgegengesezt.

1. Buch. 1. Tit.
cherheit des Vormunds aufgetragen, und dabey mit dem-
ſelben verabredet haͤtte, daß die Beſtellung des Vormunds
bloß auf ſeine Gefahr geſchehe, dieſer aber nicht pflichtmaͤſ-
ſig verfahren, ſolcher Vertrag den Pupillen nicht praͤjudi-
ciren, noch die uͤbrige Mitglieder des Vormundſchaftsge-
richts von ihrer Vertretungsverbindlichkeit befreyen ſolle,
ſondern nur ſo viel bewuͤrke, daß jener zuerſt allein fuͤrs
Ganze haften muͤſſe, und erſt nach ihm die Vertretung an
die uͤbrigen Beyſitzer komme. Hieraus erklaͤrt ſich nun,
wenn Papinian in L. 38. D. de pactis ſagt: ius pu-
blicum privatorum pactis mutari non pot-
eſt
;
welches den Sinn hat, was die Geſetze zum gemeinen
Beſten verordnet haben, kann durch Privatvertraͤge zum
Nachtheil Anderer nicht abgeaͤndert oder aufgehoben wer-
den. Denn durch Vertraͤge koͤnnen die Paciscenten
nur uͤber ihr eigenes Intereſſe diſponiren; allein Andern
Rechte und Vortheile zu entziehen, oder zu mindern,
welche ihnen das gemeine Recht geſtattet, ſind ſie nicht
befugt 52). Zuletzt wird Ius publicum auch alles dasjenige
genennet, was die Verwaltung eines oͤffentlichen Amts
oder Staatsbedienung angehet. So ſagt z. B. L. 14. D. ad
Sctum Trebell
. Quod ad ius publicum attinet, non ſequitur
ius poteſtatis,
das heiſſet, wie der Zuſammenhang mit L.
13. §. 5. D. eodem
lehret, wenn ein filiusfamilias ein
oͤffentliches Amt im Staat bekleidet, ſo hat ihm der Va-
ter in Amtsſachen nichts zu befehlen. Non ſequitur,
nehmlich filiusfamilias, ius poteſtatis, nehmlich patriae,
alſo iſt der Wortverſtand, der Sohn kehrt ſich an die

Rechte
52) Ius publicum, ſagt Ev. otto in Papiniano Cap. X.
§. 6. ſey hier nicht illud, quod in ſacris, in magiſtra-
tibus, et ſacerdotibus conſiſtit;
ſondern ſoviel als ius
commune
, quod omnium utilitatem reſpicit,
und werde
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gium quaeſito
entgegengeſezt.
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[96/0116] 1. Buch. 1. Tit. cherheit des Vormunds aufgetragen, und dabey mit dem- ſelben verabredet haͤtte, daß die Beſtellung des Vormunds bloß auf ſeine Gefahr geſchehe, dieſer aber nicht pflichtmaͤſ- ſig verfahren, ſolcher Vertrag den Pupillen nicht praͤjudi- ciren, noch die uͤbrige Mitglieder des Vormundſchaftsge- richts von ihrer Vertretungsverbindlichkeit befreyen ſolle, ſondern nur ſo viel bewuͤrke, daß jener zuerſt allein fuͤrs Ganze haften muͤſſe, und erſt nach ihm die Vertretung an die uͤbrigen Beyſitzer komme. Hieraus erklaͤrt ſich nun, wenn Papinian in L. 38. D. de pactis ſagt: ius pu- blicum privatorum pactis mutari non pot- eſt; welches den Sinn hat, was die Geſetze zum gemeinen Beſten verordnet haben, kann durch Privatvertraͤge zum Nachtheil Anderer nicht abgeaͤndert oder aufgehoben wer- den. Denn durch Vertraͤge koͤnnen die Paciscenten nur uͤber ihr eigenes Intereſſe diſponiren; allein Andern Rechte und Vortheile zu entziehen, oder zu mindern, welche ihnen das gemeine Recht geſtattet, ſind ſie nicht befugt 52). Zuletzt wird Ius publicum auch alles dasjenige genennet, was die Verwaltung eines oͤffentlichen Amts oder Staatsbedienung angehet. So ſagt z. B. L. 14. D. ad Sctum Trebell. Quod ad ius publicum attinet, non ſequitur ius poteſtatis, das heiſſet, wie der Zuſammenhang mit L. 13. §. 5. D. eodem lehret, wenn ein filiusfamilias ein oͤffentliches Amt im Staat bekleidet, ſo hat ihm der Va- ter in Amtsſachen nichts zu befehlen. Non ſequitur, nehmlich filiusfamilias, ius poteſtatis, nehmlich patriae, alſo iſt der Wortverſtand, der Sohn kehrt ſich an die Rechte 52) Ius publicum, ſagt Ev. otto in Papiniano Cap. X. §. 6. ſey hier nicht illud, quod in ſacris, in magiſtra- tibus, et ſacerdotibus conſiſtit; ſondern ſoviel als ius commune, quod omnium utilitatem reſpicit, und werde dem iuri per conventionem, teſtamentum aut privile- gium quaeſito entgegengeſezt.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/116>, abgerufen am 16.04.2024.