Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Iustitia et Iure.
nichts anders, als den wahren Sinn eines Gesetzes
aus den Worten desselben, und der Absicht des Gesez-
gebers entwickeln. Sinn des Gesetzes, oder, wie
es im römischen Rechte genennet wird, sententia le-
gis
47) ist der Wille selbst, den der Gesezgeber durch
die gebrauchten Worte hat ausdrücken wollen. Um die-
sen Willen des Gesezgebers richtig zu bestimmen, un-
tersuche man zuerst den Wortverstand des Gese-
tzes
(sensum litteralem), das ist, man exponire das
Gesez, setze die wahre Bedeutung der einzelnen Worte
fest, und verbinde mit demselben diejenigen Begriffe,
die durch die Zusammensetzung herauskommen. Weil
jedoch die Erfahrung lehret, daß die Worte nicht im-
mer den Willen des Gesezgebers ausdrücken, indem sel-
ten ein Mensch seine Worte so genau faßt, daß er
weder mehr noch weniger sage, als er wirklich hat sa-
gen wollen, so muß nun hiernächst der Gesezausleger
die wahre Absicht des Gesezgebers ausforschen,
und den Grund des Gesetzes untersuchen. Dieser
bestimmt den ganzen Umpfang des Willens des Gesez-
gebers, und ist also mit Recht als die Seele des Ge-
setzes anzusehen 48). Nur darf die nächste Absicht mit

der
Iac. oppenritter Diss. de concinna Legum in-
terpretatione
Viennae 1745. 4. Io. Died. mell-
mann
Comment. de interpretatione Legum
Rom. praesertim Codicis repetitae praele-
ctionis
Kiel 1770. Io. Lud. conradi Observatio-
nes iuris
. Marb.
1782. 8. und besonders Christ. Henr.
eckhard Hermenevtica iuris cum notis
Car. Frid. walchii Lipsiae
1779. 8.
47) L. 6. §. 1. D. de Verb. Signif. L. 29. D. de LL.
48) Io. Gottl. faber Disp. de anima legum. Tübin-
gae
1752. Conr. Henr. Andr. hepke Diss. de occasio-
ne et ratione legis
. Hanov.
1754.

de Iuſtitia et Iure.
nichts anders, als den wahren Sinn eines Geſetzes
aus den Worten deſſelben, und der Abſicht des Geſez-
gebers entwickeln. Sinn des Geſetzes, oder, wie
es im roͤmiſchen Rechte genennet wird, ſententia le-
gis
47) iſt der Wille ſelbſt, den der Geſezgeber durch
die gebrauchten Worte hat ausdruͤcken wollen. Um die-
ſen Willen des Geſezgebers richtig zu beſtimmen, un-
terſuche man zuerſt den Wortverſtand des Geſe-
tzes
(ſenſum litteralem), das iſt, man exponire das
Geſez, ſetze die wahre Bedeutung der einzelnen Worte
feſt, und verbinde mit demſelben diejenigen Begriffe,
die durch die Zuſammenſetzung herauskommen. Weil
jedoch die Erfahrung lehret, daß die Worte nicht im-
mer den Willen des Geſezgebers ausdruͤcken, indem ſel-
ten ein Menſch ſeine Worte ſo genau faßt, daß er
weder mehr noch weniger ſage, als er wirklich hat ſa-
gen wollen, ſo muß nun hiernaͤchſt der Geſezausleger
die wahre Abſicht des Geſezgebers ausforſchen,
und den Grund des Geſetzes unterſuchen. Dieſer
beſtimmt den ganzen Umpfang des Willens des Geſez-
gebers, und iſt alſo mit Recht als die Seele des Ge-
ſetzes anzuſehen 48). Nur darf die naͤchſte Abſicht mit

der
Iac. oppenritter Diſſ. de concinna Legum in-
terpretatione
Viennae 1745. 4. Io. Died. mell-
mann
Comment. de interpretatione Legum
Rom. praeſertim Codicis repetitae praele-
ctionis
Kiel 1770. Io. Lud. conradi Obſervatio-
nes iuris
. Marb.
1782. 8. und beſonders Chriſt. Henr.
eckhard Hermenevtica iuris cum notis
Car. Frid. walchii Lipſiae
1779. 8.
47) L. 6. §. 1. D. de Verb. Signif. L. 29. D. de LL.
48) Io. Gottl. faber Diſp. de anima legum. Tübin-
gae
1752. Conr. Henr. Andr. hepke Diſſ. de occaſio-
ne et ratione legis
. Hanov.
1754.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0225" n="205"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/>
nichts anders, als den wahren Sinn eines Ge&#x017F;etzes<lb/>
aus den Worten de&#x017F;&#x017F;elben, und der Ab&#x017F;icht des Ge&#x017F;ez-<lb/>
gebers entwickeln. <hi rendition="#g">Sinn des Ge&#x017F;etzes</hi>, oder, wie<lb/>
es im ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechte genennet wird, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">&#x017F;ententia le-<lb/>
gis</hi></hi> <note place="foot" n="47)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 6. §. 1. D. de Verb. Signif. L. 29. D. de LL.</hi></hi></note> i&#x017F;t der Wille &#x017F;elb&#x017F;t, den der Ge&#x017F;ezgeber durch<lb/>
die gebrauchten Worte hat ausdru&#x0364;cken wollen. Um die-<lb/>
&#x017F;en Willen des Ge&#x017F;ezgebers richtig zu be&#x017F;timmen, un-<lb/>
ter&#x017F;uche man zuer&#x017F;t den <hi rendition="#g">Wortver&#x017F;tand des Ge&#x017F;e-<lb/>
tzes</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">&#x017F;en&#x017F;um litteralem</hi></hi>), das i&#x017F;t, man exponire das<lb/>
Ge&#x017F;ez, &#x017F;etze die wahre Bedeutung der einzelnen Worte<lb/>
fe&#x017F;t, und verbinde mit dem&#x017F;elben diejenigen Begriffe,<lb/>
die durch die Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung herauskommen. Weil<lb/>
jedoch die Erfahrung lehret, daß die Worte nicht im-<lb/>
mer den Willen des Ge&#x017F;ezgebers ausdru&#x0364;cken, indem &#x017F;el-<lb/>
ten ein Men&#x017F;ch &#x017F;eine Worte &#x017F;o genau faßt, daß er<lb/>
weder mehr noch weniger &#x017F;age, als er wirklich hat &#x017F;a-<lb/>
gen wollen, &#x017F;o muß nun hierna&#x0364;ch&#x017F;t der Ge&#x017F;ezausleger<lb/>
die wahre <hi rendition="#g">Ab&#x017F;icht des Ge&#x017F;ezgebers</hi> ausfor&#x017F;chen,<lb/>
und den <hi rendition="#g">Grund des Ge&#x017F;etzes</hi> unter&#x017F;uchen. Die&#x017F;er<lb/>
be&#x017F;timmt den ganzen Umpfang des Willens des Ge&#x017F;ez-<lb/>
gebers, und i&#x017F;t al&#x017F;o mit Recht als die Seele des Ge-<lb/>
&#x017F;etzes anzu&#x017F;ehen <note place="foot" n="48)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io. Gottl.</hi><hi rendition="#k">faber</hi> Di&#x017F;p. <hi rendition="#g">de anima legum</hi>. <hi rendition="#i">Tübin-<lb/>
gae</hi> 1752. <hi rendition="#i">Conr. Henr. Andr.</hi> <hi rendition="#k">hepke</hi> Di&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#g">de occa&#x017F;io-<lb/>
ne et ratione legis</hi>. <hi rendition="#i">Hanov.</hi></hi> 1754.</note>. Nur darf die na&#x0364;ch&#x017F;te Ab&#x017F;icht mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_22_2" prev="#seg2pn_22_1" place="foot" n="46)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Iac.</hi><hi rendition="#k">oppenritter</hi> Di&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#g">de concinna Legum in-<lb/>
terpretatione</hi> <hi rendition="#i">Viennae</hi> 1745. 4. <hi rendition="#i">Io. Died.</hi> <hi rendition="#k">mell-<lb/>
mann</hi> Comment. <hi rendition="#g">de interpretatione Legum<lb/>
Rom. prae&#x017F;ertim Codicis repetitae praele-<lb/>
ctionis</hi> <hi rendition="#i">Kiel</hi> 1770. <hi rendition="#i">Io. Lud.</hi> <hi rendition="#k">conradi</hi> <hi rendition="#g">Ob&#x017F;ervatio-<lb/>
nes iuris</hi>. Marb.</hi> 1782. 8. und be&#x017F;onders <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Chri&#x017F;t. Henr.</hi><lb/><hi rendition="#k">eckhard</hi><hi rendition="#g">Hermenevtica iuris cum notis</hi><lb/><hi rendition="#i">Car. Frid.</hi><hi rendition="#k">walchii</hi> Lip&#x017F;iae</hi> 1779. 8.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0225] de Iuſtitia et Iure. nichts anders, als den wahren Sinn eines Geſetzes aus den Worten deſſelben, und der Abſicht des Geſez- gebers entwickeln. Sinn des Geſetzes, oder, wie es im roͤmiſchen Rechte genennet wird, ſententia le- gis 47) iſt der Wille ſelbſt, den der Geſezgeber durch die gebrauchten Worte hat ausdruͤcken wollen. Um die- ſen Willen des Geſezgebers richtig zu beſtimmen, un- terſuche man zuerſt den Wortverſtand des Geſe- tzes (ſenſum litteralem), das iſt, man exponire das Geſez, ſetze die wahre Bedeutung der einzelnen Worte feſt, und verbinde mit demſelben diejenigen Begriffe, die durch die Zuſammenſetzung herauskommen. Weil jedoch die Erfahrung lehret, daß die Worte nicht im- mer den Willen des Geſezgebers ausdruͤcken, indem ſel- ten ein Menſch ſeine Worte ſo genau faßt, daß er weder mehr noch weniger ſage, als er wirklich hat ſa- gen wollen, ſo muß nun hiernaͤchſt der Geſezausleger die wahre Abſicht des Geſezgebers ausforſchen, und den Grund des Geſetzes unterſuchen. Dieſer beſtimmt den ganzen Umpfang des Willens des Geſez- gebers, und iſt alſo mit Recht als die Seele des Ge- ſetzes anzuſehen 48). Nur darf die naͤchſte Abſicht mit der 46) 47) L. 6. §. 1. D. de Verb. Signif. L. 29. D. de LL. 48) Io. Gottl. faber Diſp. de anima legum. Tübin- gae 1752. Conr. Henr. Andr. hepke Diſſ. de occaſio- ne et ratione legis. Hanov. 1754. 46) Iac. oppenritter Diſſ. de concinna Legum in- terpretatione Viennae 1745. 4. Io. Died. mell- mann Comment. de interpretatione Legum Rom. praeſertim Codicis repetitae praele- ctionis Kiel 1770. Io. Lud. conradi Obſervatio- nes iuris. Marb. 1782. 8. und beſonders Chriſt. Henr. eckhard Hermenevtica iuris cum notis Car. Frid. walchii Lipſiae 1779. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/225
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/225>, abgerufen am 18.04.2024.