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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
Clauseln und Klugheitsregeln enthält, die insonderheit
von den römischen Rechtsgelehrten sind erfunden wor-
den, um hierdurch die Strenge des bürgerlichen Rechts,
welche zu manchen Chikanen und Unbilligkeiten Anlaß
gab, zu mildern, und auf die natürliche Billigkeit zu-
rückzuführen. Diese Rechtsmittel und Vorsichtigkeits-
regeln, welche bey einem zu schliessenden rechtlichen Ge-
schäft zu beobachten sind, werden im römischen Recht
Heurematica 69) von eurema, inventum oder inventio,
deßgleichen Cautiones, heutiges Tages aber Cautelen
genennt; und derjenige Theil der ausübenden Rechts-
wissenschaft, welcher in der Fertigkeit bestehet, bürger-
liche Rechtshandlungen auf eine vorsichtige, bündige und
vortheilhafte Art einzurichten, heißt die Cautelar-
Jurisprudenz,
Iurisprudentia cavens, heurematica
oder cautelaris 70). Zum Beispiel dienen die bey den
Testamenten so heilsame Codicillar-Clausel, -- die my-
stische Erbeinsetzung, -- Socinische Cautel, -- Mucia-
nische Caution, -- das Verbot des Testirers, die be-
sonders versiegelte Pupillar-Substitution bey Lebzeiten
seines noch unmündigen Kindes nicht zu eröfnen 71) u.
d. m. Ferner die beym Kaufcontract sehr vortheilhaf-
te Clauseln des commissorischen Vertrags, der addictio-
nis in diem,
des Vorkaufs, des Wiederkaufs, der
Reue, des vorbehaltenen Eigenthums oder der reservir-
ten Hypothek, auch des constituti possessorii u. d. m.

Es
69) S. Henr. brenkmann de Eurematicis Diatriba
(Lugd. Batavor. 1706.) Cap. I.
70) Io. Nic. hertius de iurisprudentia cavente,
Gissae
1706. und Io. Gottl. heineccii Commentatio
eiusdem argumenti in Opusculis minorib, varii argumen-
ti
Opusc. VIII.
S. 301 - 388.
71) §. 3. I. de pupill. substitut.

de Iuſtitia et Iure.
Clauſeln und Klugheitsregeln enthaͤlt, die inſonderheit
von den roͤmiſchen Rechtsgelehrten ſind erfunden wor-
den, um hierdurch die Strenge des buͤrgerlichen Rechts,
welche zu manchen Chikanen und Unbilligkeiten Anlaß
gab, zu mildern, und auf die natuͤrliche Billigkeit zu-
ruͤckzufuͤhren. Dieſe Rechtsmittel und Vorſichtigkeits-
regeln, welche bey einem zu ſchlieſſenden rechtlichen Ge-
ſchaͤft zu beobachten ſind, werden im roͤmiſchen Recht
Heurematica 69) von εὕρημα, inventum oder inventio,
deßgleichen Cautiones, heutiges Tages aber Cautelen
genennt; und derjenige Theil der ausuͤbenden Rechts-
wiſſenſchaft, welcher in der Fertigkeit beſtehet, buͤrger-
liche Rechtshandlungen auf eine vorſichtige, buͤndige und
vortheilhafte Art einzurichten, heißt die Cautelar-
Jurisprudenz,
Iurisprudentia cavens, heurematica
oder cautelaris 70). Zum Beiſpiel dienen die bey den
Teſtamenten ſo heilſame Codicillar-Clauſel, — die my-
ſtiſche Erbeinſetzung, — Sociniſche Cautel, — Mucia-
niſche Caution, — das Verbot des Teſtirers, die be-
ſonders verſiegelte Pupillar-Subſtitution bey Lebzeiten
ſeines noch unmuͤndigen Kindes nicht zu eroͤfnen 71) u.
d. m. Ferner die beym Kaufcontract ſehr vortheilhaf-
te Clauſeln des commiſſoriſchen Vertrags, der addictio-
nis in diem,
des Vorkaufs, des Wiederkaufs, der
Reue, des vorbehaltenen Eigenthums oder der reſervir-
ten Hypothek, auch des conſtituti poſſeſſorii u. d. m.

Es
69) S. Henr. brenkmann de Eurematicis Diatriba
(Lugd. Batavor. 1706.) Cap. I.
70) Io. Nic. hertius de iurisprudentia cavente,
Giſſae
1706. und Io. Gottl. heineccii Commentatio
eiusdem argumenti in Opuſculis minorib, varii argumen-
ti
Opuſc. VIII.
S. 301 ‒ 388.
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[269/0289] de Iuſtitia et Iure. Clauſeln und Klugheitsregeln enthaͤlt, die inſonderheit von den roͤmiſchen Rechtsgelehrten ſind erfunden wor- den, um hierdurch die Strenge des buͤrgerlichen Rechts, welche zu manchen Chikanen und Unbilligkeiten Anlaß gab, zu mildern, und auf die natuͤrliche Billigkeit zu- ruͤckzufuͤhren. Dieſe Rechtsmittel und Vorſichtigkeits- regeln, welche bey einem zu ſchlieſſenden rechtlichen Ge- ſchaͤft zu beobachten ſind, werden im roͤmiſchen Recht Heurematica 69) von εὕρημα, inventum oder inventio, deßgleichen Cautiones, heutiges Tages aber Cautelen genennt; und derjenige Theil der ausuͤbenden Rechts- wiſſenſchaft, welcher in der Fertigkeit beſtehet, buͤrger- liche Rechtshandlungen auf eine vorſichtige, buͤndige und vortheilhafte Art einzurichten, heißt die Cautelar- Jurisprudenz, Iurisprudentia cavens, heurematica oder cautelaris 70). Zum Beiſpiel dienen die bey den Teſtamenten ſo heilſame Codicillar-Clauſel, — die my- ſtiſche Erbeinſetzung, — Sociniſche Cautel, — Mucia- niſche Caution, — das Verbot des Teſtirers, die be- ſonders verſiegelte Pupillar-Subſtitution bey Lebzeiten ſeines noch unmuͤndigen Kindes nicht zu eroͤfnen 71) u. d. m. Ferner die beym Kaufcontract ſehr vortheilhaf- te Clauſeln des commiſſoriſchen Vertrags, der addictio- nis in diem, des Vorkaufs, des Wiederkaufs, der Reue, des vorbehaltenen Eigenthums oder der reſervir- ten Hypothek, auch des conſtituti poſſeſſorii u. d. m. Es 69) S. Henr. brenkmann de Eurematicis Diatriba (Lugd. Batavor. 1706.) Cap. I. 70) Io. Nic. hertius de iurisprudentia cavente, Giſſae 1706. und Io. Gottl. heineccii Commentatio eiusdem argumenti in Opuſculis minorib, varii argumen- ti Opuſc. VIII. S. 301 ‒ 388. 71) §. 3. I. de pupill. ſubſtitut.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/289>, abgerufen am 16.04.2024.