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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure
behaupten, daß der Richter, der den Verbrecher ein-
gezogen, an jene Gesetze schlechterdings gebunden sey;
weil diese in Ansehung des Richters, der die Inqui-
sition formirt, fremde Rechte (iura alieni territorii)
sind. Dahero andere Rechtsgelehrte mit mehreren
Grunde behaupten, daß die Strafe in einem solchen
Falle, da die Gesetze des fori delicti und deprehen-
sionis
nicht übereinstimmen, nach dem gemeinen
Rechte
zu bestimmen sey 18). Da inzwischen ein
Richter jede Gelegenheit ergreifen muß, wo er die
Strenge der Strafe ohne Eintrag der Gesetze mil-
dern kann 19), so nimmt man billig den Fall aus,
wenn das particulaire Recht eine gelindere Strafe be-
stimmt hätte, als in dem gemeinen peinlichen Recht
verordnet stehet 20). Ein Richter kann daher in ei-
nem solchen Falle die mildere Strafe, die nach den
Gesetzen seines Landes eine Folge des vollzogenen
Verbrechens ist, mit Hintansetzung der strengern
Strafe, die der Verbrecher an dem Orte, da er
sein Verbrechen begangen hat, dulden müßte, ohne
Anstand dem Missethäter zusprechen; aber auch die
mildere Strafe, welche die beleidigte Nation fordert,
vorziehen, wenn in seinem Lande auf eben dieses Ver-
brechen eine grösere Strafe gesezt ist 21).

§. 45.
18) Meister im peinl. Proceß S. 685. G. L. boeh-
mer
Diss. de delictis extra territorium com-
missis
. Goettingae
1748. §. 16. u. 17. und Derselbe in
Commentat. de abigeatu Cap. III. §. 98. u. folgg.
19) L. 56. L. 168. D. de Reg. Iur. c. 49. eodem in 6to.
20) hommel Rhapsod. Quaestion. for. Obs. 281.
koch Institut. iuris crim. Lib. I. c. VI. §. 94. zol-
ler
Spec. I. Observat. practicar. Lipsiae 1778.
Obs.
7.
21) seger in der angef. Dissertat. §. VII.
Glücks Erläut. d. Pand. 1. Th. T
de Iuſtitia et Iure
behaupten, daß der Richter, der den Verbrecher ein-
gezogen, an jene Geſetze ſchlechterdings gebunden ſey;
weil dieſe in Anſehung des Richters, der die Inqui-
ſition formirt, fremde Rechte (iura alieni territorii)
ſind. Dahero andere Rechtsgelehrte mit mehreren
Grunde behaupten, daß die Strafe in einem ſolchen
Falle, da die Geſetze des fori delicti und deprehen-
ſionis
nicht uͤbereinſtimmen, nach dem gemeinen
Rechte
zu beſtimmen ſey 18). Da inzwiſchen ein
Richter jede Gelegenheit ergreifen muß, wo er die
Strenge der Strafe ohne Eintrag der Geſetze mil-
dern kann 19), ſo nimmt man billig den Fall aus,
wenn das particulaire Recht eine gelindere Strafe be-
ſtimmt haͤtte, als in dem gemeinen peinlichen Recht
verordnet ſtehet 20). Ein Richter kann daher in ei-
nem ſolchen Falle die mildere Strafe, die nach den
Geſetzen ſeines Landes eine Folge des vollzogenen
Verbrechens iſt, mit Hintanſetzung der ſtrengern
Strafe, die der Verbrecher an dem Orte, da er
ſein Verbrechen begangen hat, dulden muͤßte, ohne
Anſtand dem Miſſethaͤter zuſprechen; aber auch die
mildere Strafe, welche die beleidigte Nation fordert,
vorziehen, wenn in ſeinem Lande auf eben dieſes Ver-
brechen eine groͤſere Strafe geſezt iſt 21).

§. 45.
18) Meiſter im peinl. Proceß S. 685. G. L. boeh-
mer
Diſſ. de delictis extra territorium com-
miſſis
. Goettingae
1748. §. 16. u. 17. und Derſelbe in
Commentat. de abigeatu Cap. III. §. 98. u. folgg.
19) L. 56. L. 168. D. de Reg. Iur. c. 49. eodem in 6to.
20) hommel Rhapſod. Quaeſtion. for. Obſ. 281.
koch Inſtitut. iuris crim. Lib. I. c. VI. §. 94. zol-
ler
Spec. I. Obſervat. practicar. Lipſiae 1778.
Obſ.
7.
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[287/0307] de Iuſtitia et Iure behaupten, daß der Richter, der den Verbrecher ein- gezogen, an jene Geſetze ſchlechterdings gebunden ſey; weil dieſe in Anſehung des Richters, der die Inqui- ſition formirt, fremde Rechte (iura alieni territorii) ſind. Dahero andere Rechtsgelehrte mit mehreren Grunde behaupten, daß die Strafe in einem ſolchen Falle, da die Geſetze des fori delicti und deprehen- ſionis nicht uͤbereinſtimmen, nach dem gemeinen Rechte zu beſtimmen ſey 18). Da inzwiſchen ein Richter jede Gelegenheit ergreifen muß, wo er die Strenge der Strafe ohne Eintrag der Geſetze mil- dern kann 19), ſo nimmt man billig den Fall aus, wenn das particulaire Recht eine gelindere Strafe be- ſtimmt haͤtte, als in dem gemeinen peinlichen Recht verordnet ſtehet 20). Ein Richter kann daher in ei- nem ſolchen Falle die mildere Strafe, die nach den Geſetzen ſeines Landes eine Folge des vollzogenen Verbrechens iſt, mit Hintanſetzung der ſtrengern Strafe, die der Verbrecher an dem Orte, da er ſein Verbrechen begangen hat, dulden muͤßte, ohne Anſtand dem Miſſethaͤter zuſprechen; aber auch die mildere Strafe, welche die beleidigte Nation fordert, vorziehen, wenn in ſeinem Lande auf eben dieſes Ver- brechen eine groͤſere Strafe geſezt iſt 21). §. 45. 18) Meiſter im peinl. Proceß S. 685. G. L. boeh- mer Diſſ. de delictis extra territorium com- miſſis. Goettingae 1748. §. 16. u. 17. und Derſelbe in Commentat. de abigeatu Cap. III. §. 98. u. folgg. 19) L. 56. L. 168. D. de Reg. Iur. c. 49. eodem in 6to. 20) hommel Rhapſod. Quaeſtion. for. Obſ. 281. koch Inſtitut. iuris crim. Lib. I. c. VI. §. 94. zol- ler Spec. I. Obſervat. practicar. Lipſiae 1778. Obſ. 7. 21) seger in der angef. Diſſertat. §. VII. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. T

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/307>, abgerufen am 28.03.2024.