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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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lungen, wovon dieselben reden, im Lande vornimmt,
ist ohne Zweifel. Allein eben dieses muß auch von
dem Ausländer gelten. Denn alle diejenigen, welche
in den Grenzen eines fremden Staats sich aufhalten, sind,
so lange als ihr Auffenthalt dauert, in der Regel als Un-
terthanen anzusehen. Ich habe hiervon schon an einem
andern Orte (§. 44. n. 2. u. 4.) umständlicher gehan-
delt. Man wende nicht dagegen ein, daß wenn ein
Staat die Handlung seines Unterthans, welche dersel-
be ausser Landes nach den Gesetzen eines fremden Terri-
toriums in dem District desselben vorgenommen, gelten
lassen müsse, solches gegen die obige Regel: Leges non
valent extra territorium,
sey. Denn man unterschei-
de zwischen der verbindenden Kraft eines fremden Ge-
setzes in Ansehung einer erst vorzunehmenden Rechts-
handlung, und der rechtlichen Wirkung eines Geschäfts,
so in dem Gebiet eines fremden Gesezgebers geschlossen
worden ist. Die erstere ist freylich nur auf das Ter-
ritorium des Gesezgebers eingeschränkt; denn über die
Grenzen eines Landes hinaus erstreckt sich die Gewalt
eines Regenten nie. Allein die rechtliche Wirkung eines
solchen Geschäfts, so nach den Gesetzen eines Staats
in den Grenzen desselben gültig ist geschlossen worden,
muß jede andere Nation als verbindlich anerkennen,
und der Regent des Auswärtigen darf solche, ohne ei-
ne offenbare Ungerechtigkeit zu begehen, nicht entkräf-
ten 85). Solchemnach sind nun also Verträge, Testa-
mente, Form der Wechsel u. s. w. auch Verbrechen nach
den Landesherrlichen Verordnungen desjenigen Orts zu
beurtheilen, wo sie vorgenommen sind. Jedoch hat die-
se Regel ihre Ausnahmen, von denen ich gleichfalls

schon
85) seger Diss. de vi legum et decretorum in territo-
rio alieno.
S. 6. u. folgg. vattel Ius Gentium Lib.
II. c. VII.

1. Buch. 2. Tit.
lungen, wovon dieſelben reden, im Lande vornimmt,
iſt ohne Zweifel. Allein eben dieſes muß auch von
dem Auslaͤnder gelten. Denn alle diejenigen, welche
in den Grenzen eines fremden Staats ſich aufhalten, ſind,
ſo lange als ihr Auffenthalt dauert, in der Regel als Un-
terthanen anzuſehen. Ich habe hiervon ſchon an einem
andern Orte (§. 44. n. 2. u. 4.) umſtaͤndlicher gehan-
delt. Man wende nicht dagegen ein, daß wenn ein
Staat die Handlung ſeines Unterthans, welche derſel-
be auſſer Landes nach den Geſetzen eines fremden Terri-
toriums in dem Diſtrict deſſelben vorgenommen, gelten
laſſen muͤſſe, ſolches gegen die obige Regel: Leges non
valent extra territorium,
ſey. Denn man unterſchei-
de zwiſchen der verbindenden Kraft eines fremden Ge-
ſetzes in Anſehung einer erſt vorzunehmenden Rechts-
handlung, und der rechtlichen Wirkung eines Geſchaͤfts,
ſo in dem Gebiet eines fremden Geſezgebers geſchloſſen
worden iſt. Die erſtere iſt freylich nur auf das Ter-
ritorium des Geſezgebers eingeſchraͤnkt; denn uͤber die
Grenzen eines Landes hinaus erſtreckt ſich die Gewalt
eines Regenten nie. Allein die rechtliche Wirkung eines
ſolchen Geſchaͤfts, ſo nach den Geſetzen eines Staats
in den Grenzen deſſelben guͤltig iſt geſchloſſen worden,
muß jede andere Nation als verbindlich anerkennen,
und der Regent des Auswaͤrtigen darf ſolche, ohne ei-
ne offenbare Ungerechtigkeit zu begehen, nicht entkraͤf-
ten 85). Solchemnach ſind nun alſo Vertraͤge, Teſta-
mente, Form der Wechſel u. ſ. w. auch Verbrechen nach
den Landesherrlichen Verordnungen desjenigen Orts zu
beurtheilen, wo ſie vorgenommen ſind. Jedoch hat die-
ſe Regel ihre Ausnahmen, von denen ich gleichfalls

ſchon
85) seger Diſſ. de vi legum et decretorum in territo-
rio alieno.
S. 6. u. folgg. vattel Ius Gentium Lib.
II. c. VII.
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[390/0410] 1. Buch. 2. Tit. lungen, wovon dieſelben reden, im Lande vornimmt, iſt ohne Zweifel. Allein eben dieſes muß auch von dem Auslaͤnder gelten. Denn alle diejenigen, welche in den Grenzen eines fremden Staats ſich aufhalten, ſind, ſo lange als ihr Auffenthalt dauert, in der Regel als Un- terthanen anzuſehen. Ich habe hiervon ſchon an einem andern Orte (§. 44. n. 2. u. 4.) umſtaͤndlicher gehan- delt. Man wende nicht dagegen ein, daß wenn ein Staat die Handlung ſeines Unterthans, welche derſel- be auſſer Landes nach den Geſetzen eines fremden Terri- toriums in dem Diſtrict deſſelben vorgenommen, gelten laſſen muͤſſe, ſolches gegen die obige Regel: Leges non valent extra territorium, ſey. Denn man unterſchei- de zwiſchen der verbindenden Kraft eines fremden Ge- ſetzes in Anſehung einer erſt vorzunehmenden Rechts- handlung, und der rechtlichen Wirkung eines Geſchaͤfts, ſo in dem Gebiet eines fremden Geſezgebers geſchloſſen worden iſt. Die erſtere iſt freylich nur auf das Ter- ritorium des Geſezgebers eingeſchraͤnkt; denn uͤber die Grenzen eines Landes hinaus erſtreckt ſich die Gewalt eines Regenten nie. Allein die rechtliche Wirkung eines ſolchen Geſchaͤfts, ſo nach den Geſetzen eines Staats in den Grenzen deſſelben guͤltig iſt geſchloſſen worden, muß jede andere Nation als verbindlich anerkennen, und der Regent des Auswaͤrtigen darf ſolche, ohne ei- ne offenbare Ungerechtigkeit zu begehen, nicht entkraͤf- ten 85). Solchemnach ſind nun alſo Vertraͤge, Teſta- mente, Form der Wechſel u. ſ. w. auch Verbrechen nach den Landesherrlichen Verordnungen desjenigen Orts zu beurtheilen, wo ſie vorgenommen ſind. Jedoch hat die- ſe Regel ihre Ausnahmen, von denen ich gleichfalls ſchon 85) seger Diſſ. de vi legum et decretorum in territo- rio alieno. S. 6. u. folgg. vattel Ius Gentium Lib. II. c. VII.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/410>, abgerufen am 25.04.2024.