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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 4. Tit.
lein ohne einen überzeugenden Grund, wie schon Rein-
harth,
der ihn gründlich widerlegt, gezeigt hat 73).
Nur aber ist freylich auch heutiges Tages immer die con-
ditio sine qua non,
daß das landesherrliche Rescript
oder Decret, welches dem Richter in ähnlichen Fällen
zur gesetzlichen Norm dienen soll, eine streitige
Rechtsfrage entschiede,
oder ein dunkeles und
zweifelhaftes Gesetz erkläre, und dabey allen, wo
nicht Unterthanen, doch wenigstens Richtern zur Nach-
achtung gehörig bekannt gemacht worden sey 74). Fürst-
liche Machtsprüche 75) hingegen kann man auch heutiges
Tages so wenig als blose Gnadenrescripte in ähn-
lichen Fällen zum Muster nehmen. Eben dieses findet
statt, wenn der Landesherr, nicht als Gesetzgeber, son-
dern nur als oberster Richter seines Landes in einer
an ihn gebrachten Proceßsache, nach vorhergegangener
vollständigen Untersuchung derselben, ein Decret oder Re-
script ertheilet hat, welches nach seinem Willen, und nach
der Beschaffenheit der Sache, nur ein Recht unter den
streitenden Partheyen machen soll 76). Solche Decrete

und
73) a. a. O. Obs. 2. S. 3. u. folg.
74) Eben dieses erfordert auch Ziegler a. a. O. §. 23.
S. 665. am Ende, wo es heißt: Non alia videtur esse ratio
decisionum Principis, quas si legis habere vim debent, omni-
bus, si non subditis quibuscumque, saltem iudicibus inferio-
ribus intimari necesse est. Immo vero interesst Reip. ut in
omnium subditorum perveniant notitiam, cum litem saepe in-
cepturus non sit, cuius ipse exitum sibi decisione principali
divinare queat.
75) S. Mart. schrader Tr. de sententiis Principum ex ple-
nitudine potestatis latis.
76) Richtig sagt daher Ziegler a. a. O. §. 22. Ubi Princeps
non decernit
animo faciendae legis, sed ita interloqui-

tur,

1. Buch. 4. Tit.
lein ohne einen uͤberzeugenden Grund, wie ſchon Rein-
harth,
der ihn gruͤndlich widerlegt, gezeigt hat 73).
Nur aber iſt freylich auch heutiges Tages immer die con-
ditio ſine qua non,
daß das landesherrliche Reſcript
oder Decret, welches dem Richter in aͤhnlichen Faͤllen
zur geſetzlichen Norm dienen ſoll, eine ſtreitige
Rechtsfrage entſchiede,
oder ein dunkeles und
zweifelhaftes Geſetz erklaͤre, und dabey allen, wo
nicht Unterthanen, doch wenigſtens Richtern zur Nach-
achtung gehoͤrig bekannt gemacht worden ſey 74). Fuͤrſt-
liche Machtſpruͤche 75) hingegen kann man auch heutiges
Tages ſo wenig als bloſe Gnadenreſcripte in aͤhn-
lichen Faͤllen zum Muſter nehmen. Eben dieſes findet
ſtatt, wenn der Landesherr, nicht als Geſetzgeber, ſon-
dern nur als oberſter Richter ſeines Landes in einer
an ihn gebrachten Proceßſache, nach vorhergegangener
vollſtaͤndigen Unterſuchung derſelben, ein Decret oder Re-
ſcript ertheilet hat, welches nach ſeinem Willen, und nach
der Beſchaffenheit der Sache, nur ein Recht unter den
ſtreitenden Partheyen machen ſoll 76). Solche Decrete

und
73) a. a. O. Obſ. 2. S. 3. u. folg.
74) Eben dieſes erfordert auch Ziegler a. a. O. §. 23.
S. 665. am Ende, wo es heißt: Non alia videtur eſſe ratio
deciſionum Principis, quas ſi legis habere vim debent, omni-
bus, ſi non ſubditis quibuscumque, ſaltem iudicibus inferio-
ribus intimari neceſſe eſt. Immo vero intereſſt Reip. ut in
omnium ſubditorum perveniant notitiam, cum litem ſaepe in-
cepturus non ſit, cuius ipſe exitum ſibi deciſione principali
divinare queat.
75) S. Mart. schrader Tr. de ſententiis Principum ex ple-
nitudine poteſtatis latis.
76) Richtig ſagt daher Ziegler a. a. O. §. 22. Ubi Princeps
non decernit
animo faciendae legis, ſed ita interloqui-

tur,
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[522/0542] 1. Buch. 4. Tit. lein ohne einen uͤberzeugenden Grund, wie ſchon Rein- harth, der ihn gruͤndlich widerlegt, gezeigt hat 73). Nur aber iſt freylich auch heutiges Tages immer die con- ditio ſine qua non, daß das landesherrliche Reſcript oder Decret, welches dem Richter in aͤhnlichen Faͤllen zur geſetzlichen Norm dienen ſoll, eine ſtreitige Rechtsfrage entſchiede, oder ein dunkeles und zweifelhaftes Geſetz erklaͤre, und dabey allen, wo nicht Unterthanen, doch wenigſtens Richtern zur Nach- achtung gehoͤrig bekannt gemacht worden ſey 74). Fuͤrſt- liche Machtſpruͤche 75) hingegen kann man auch heutiges Tages ſo wenig als bloſe Gnadenreſcripte in aͤhn- lichen Faͤllen zum Muſter nehmen. Eben dieſes findet ſtatt, wenn der Landesherr, nicht als Geſetzgeber, ſon- dern nur als oberſter Richter ſeines Landes in einer an ihn gebrachten Proceßſache, nach vorhergegangener vollſtaͤndigen Unterſuchung derſelben, ein Decret oder Re- ſcript ertheilet hat, welches nach ſeinem Willen, und nach der Beſchaffenheit der Sache, nur ein Recht unter den ſtreitenden Partheyen machen ſoll 76). Solche Decrete und 73) a. a. O. Obſ. 2. S. 3. u. folg. 74) Eben dieſes erfordert auch Ziegler a. a. O. §. 23. S. 665. am Ende, wo es heißt: Non alia videtur eſſe ratio deciſionum Principis, quas ſi legis habere vim debent, omni- bus, ſi non ſubditis quibuscumque, ſaltem iudicibus inferio- ribus intimari neceſſe eſt. Immo vero intereſſt Reip. ut in omnium ſubditorum perveniant notitiam, cum litem ſaepe in- cepturus non ſit, cuius ipſe exitum ſibi deciſione principali divinare queat. 75) S. Mart. schrader Tr. de ſententiis Principum ex ple- nitudine poteſtatis latis. 76) Richtig ſagt daher Ziegler a. a. O. §. 22. Ubi Princeps non decernit animo faciendae legis, ſed ita interloqui- tur,

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/542>, abgerufen am 24.04.2024.