Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 8. Tit. §. 181. u. 182.
durch die Verordnungen des Westphälischen Friedens dem
im Entscheidungsziele 1624. gehabten Besitze in kirchli-
chen Dingen sowohl als auch in politischen Sachen, wel-
che mit den ersten in Verbindung stehen, die Wirkung
eines dinglichen Rechts zwischen den katholischen und
evangelischen Religionsverwandten beygelegt worden sey 5).
Dies wäre denn freylich eine sehr wichtige Ausnahme
von den obigen Grundsatz der gemeinen und fremden
Rechte in Deutschland.

§. 182.
Auch dem natürlichen Besitzer stehen Pessessionsrechte zu. Vom
Quasi-Besitz unkörperlicher Sachen.

Noch ist die Frage zu beantworten übrig, ob auch
einem natürlichen Besitzer Possessionsrechte zuste-
hen? Unser Verfasser will dies läugnen; allein man ma-
che einen Unterschied zwischen solchen Rechten, welche blos
vom Civilbesitz abhangen, und denen, welche die Gesetze
einem jeden Besitze beylegen. Possessionsrechte der ersten
Art stehen freylich dem natürlichen Besitzer nicht zu. Z. B.
er hat nicht das Recht der Usucapion 6), auch dann nicht,
wenn er gleich den Besitz animo domini ausübt, in so-
fern nämlich die Gesetze diese Absicht des Besitzers ver-
werfen, und den Besitz desselben blos für einen natür-
lichen
erklären 7). Ein blos natürlicher Besitzer kann

sich
5) S. Hrn. G. JustizR. Böhmers Principia Iuris Canon.
§. 50. et
51. und Hofr. Schnauberts Beyträge zum deut-
schen Staats- und Kirchenrecht 2. Theil N. II. §. 14. S. 141.
6) L 1. Cod. commun. de usucap. L. 13. pr. D. de Usurpat.
et usucap.
7) So z B. hat eine Frau von dem, so der Mann ihr geschenkt
hat, bey Lebzeiten des Mannes keinen bürgerlichen Besitz.
L. 26.

1. Buch. 8. Tit. §. 181. u. 182.
durch die Verordnungen des Weſtphaͤliſchen Friedens dem
im Entſcheidungsziele 1624. gehabten Beſitze in kirchli-
chen Dingen ſowohl als auch in politiſchen Sachen, wel-
che mit den erſten in Verbindung ſtehen, die Wirkung
eines dinglichen Rechts zwiſchen den katholiſchen und
evangeliſchen Religionsverwandten beygelegt worden ſey 5).
Dies waͤre denn freylich eine ſehr wichtige Ausnahme
von den obigen Grundſatz der gemeinen und fremden
Rechte in Deutſchland.

§. 182.
Auch dem natuͤrlichen Beſitzer ſtehen Peſſeſſionsrechte zu. Vom
Quaſi-Beſitz unkoͤrperlicher Sachen.

Noch iſt die Frage zu beantworten uͤbrig, ob auch
einem natuͤrlichen Beſitzer Poſſeſſionsrechte zuſte-
hen? Unſer Verfaſſer will dies laͤugnen; allein man ma-
che einen Unterſchied zwiſchen ſolchen Rechten, welche blos
vom Civilbeſitz abhangen, und denen, welche die Geſetze
einem jeden Beſitze beylegen. Poſſeſſionsrechte der erſten
Art ſtehen freylich dem natuͤrlichen Beſitzer nicht zu. Z. B.
er hat nicht das Recht der Uſucapion 6), auch dann nicht,
wenn er gleich den Beſitz animo domini ausuͤbt, in ſo-
fern naͤmlich die Geſetze dieſe Abſicht des Beſitzers ver-
werfen, und den Beſitz deſſelben blos fuͤr einen natuͤr-
lichen
erklaͤren 7). Ein blos natuͤrlicher Beſitzer kann

ſich
5) S. Hrn. G. JuſtizR. Boͤhmers Principia Iuris Canon.
§. 50. et
51. und Hofr. Schnauberts Beytraͤge zum deut-
ſchen Staats- und Kirchenrecht 2. Theil N. II. §. 14. S. 141.
6) L 1. Cod. commun. de uſucap. L. 13. pr. D. de Uſurpat.
et uſucap.
7) So z B. hat eine Frau von dem, ſo der Mann ihr geſchenkt
hat, bey Lebzeiten des Mannes keinen buͤrgerlichen Beſitz.
L. 26.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0570" n="556"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 8. Tit. §. 181. u. 182.</fw><lb/>
durch die Verordnungen des We&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen Friedens dem<lb/>
im Ent&#x017F;cheidungsziele 1624. gehabten Be&#x017F;itze in kirchli-<lb/>
chen Dingen &#x017F;owohl als auch in politi&#x017F;chen Sachen, wel-<lb/>
che mit den er&#x017F;ten in Verbindung &#x017F;tehen, die Wirkung<lb/>
eines dinglichen Rechts zwi&#x017F;chen den katholi&#x017F;chen und<lb/>
evangeli&#x017F;chen Religionsverwandten beygelegt worden &#x017F;ey <note place="foot" n="5)">S. Hrn. G. Ju&#x017F;tizR. <hi rendition="#g">Bo&#x0364;hmers</hi> <hi rendition="#aq">Principia Iuris Canon.<lb/>
§. 50. et</hi> 51. und Hofr. <hi rendition="#g">Schnauberts</hi> Beytra&#x0364;ge zum deut-<lb/>
&#x017F;chen Staats- und Kirchenrecht 2. Theil <hi rendition="#aq">N. II.</hi> §. 14. S. 141.</note>.<lb/>
Dies wa&#x0364;re denn freylich eine &#x017F;ehr wichtige Ausnahme<lb/>
von den obigen Grund&#x017F;atz der gemeinen und fremden<lb/>
Rechte in Deut&#x017F;chland.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 182.<lb/>
Auch dem natu&#x0364;rlichen Be&#x017F;itzer &#x017F;tehen Pe&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ionsrechte zu. Vom<lb/><hi rendition="#g">Qua&#x017F;i-Be&#x017F;itz</hi> unko&#x0364;rperlicher Sachen.</head><lb/>
          <p>Noch i&#x017F;t die Frage zu beantworten u&#x0364;brig, ob auch<lb/>
einem <hi rendition="#g">natu&#x0364;rlichen Be&#x017F;itzer</hi> Po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ionsrechte zu&#x017F;te-<lb/>
hen? Un&#x017F;er Verfa&#x017F;&#x017F;er will dies la&#x0364;ugnen; allein man ma-<lb/>
che einen Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen &#x017F;olchen Rechten, welche blos<lb/>
vom Civilbe&#x017F;itz abhangen, und denen, welche die Ge&#x017F;etze<lb/>
einem jeden Be&#x017F;itze beylegen. Po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ionsrechte der er&#x017F;ten<lb/>
Art &#x017F;tehen freylich dem natu&#x0364;rlichen Be&#x017F;itzer nicht zu. Z. B.<lb/>
er hat nicht das Recht der U&#x017F;ucapion <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi> 1. <hi rendition="#i">Cod. commun. de u&#x017F;ucap. L.</hi> 13. <hi rendition="#i">pr. D. de U&#x017F;urpat.<lb/>
et u&#x017F;ucap.</hi></hi></note>, auch dann nicht,<lb/>
wenn er gleich den Be&#x017F;itz <hi rendition="#aq">animo domini</hi> ausu&#x0364;bt, in &#x017F;o-<lb/>
fern na&#x0364;mlich die Ge&#x017F;etze die&#x017F;e Ab&#x017F;icht des Be&#x017F;itzers ver-<lb/>
werfen, und den Be&#x017F;itz de&#x017F;&#x017F;elben blos fu&#x0364;r einen <hi rendition="#g">natu&#x0364;r-<lb/>
lichen</hi> erkla&#x0364;ren <note xml:id="seg2pn_84_1" next="#seg2pn_84_2" place="foot" n="7)">So z B. hat eine Frau von dem, &#x017F;o der Mann ihr ge&#x017F;chenkt<lb/>
hat, bey Lebzeiten des Mannes keinen bu&#x0364;rgerlichen Be&#x017F;itz.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi></hi> 26.</fw></note>. Ein blos natu&#x0364;rlicher Be&#x017F;itzer kann<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[556/0570] 1. Buch. 8. Tit. §. 181. u. 182. durch die Verordnungen des Weſtphaͤliſchen Friedens dem im Entſcheidungsziele 1624. gehabten Beſitze in kirchli- chen Dingen ſowohl als auch in politiſchen Sachen, wel- che mit den erſten in Verbindung ſtehen, die Wirkung eines dinglichen Rechts zwiſchen den katholiſchen und evangeliſchen Religionsverwandten beygelegt worden ſey 5). Dies waͤre denn freylich eine ſehr wichtige Ausnahme von den obigen Grundſatz der gemeinen und fremden Rechte in Deutſchland. §. 182. Auch dem natuͤrlichen Beſitzer ſtehen Peſſeſſionsrechte zu. Vom Quaſi-Beſitz unkoͤrperlicher Sachen. Noch iſt die Frage zu beantworten uͤbrig, ob auch einem natuͤrlichen Beſitzer Poſſeſſionsrechte zuſte- hen? Unſer Verfaſſer will dies laͤugnen; allein man ma- che einen Unterſchied zwiſchen ſolchen Rechten, welche blos vom Civilbeſitz abhangen, und denen, welche die Geſetze einem jeden Beſitze beylegen. Poſſeſſionsrechte der erſten Art ſtehen freylich dem natuͤrlichen Beſitzer nicht zu. Z. B. er hat nicht das Recht der Uſucapion 6), auch dann nicht, wenn er gleich den Beſitz animo domini ausuͤbt, in ſo- fern naͤmlich die Geſetze dieſe Abſicht des Beſitzers ver- werfen, und den Beſitz deſſelben blos fuͤr einen natuͤr- lichen erklaͤren 7). Ein blos natuͤrlicher Beſitzer kann ſich 5) S. Hrn. G. JuſtizR. Boͤhmers Principia Iuris Canon. §. 50. et 51. und Hofr. Schnauberts Beytraͤge zum deut- ſchen Staats- und Kirchenrecht 2. Theil N. II. §. 14. S. 141. 6) L 1. Cod. commun. de uſucap. L. 13. pr. D. de Uſurpat. et uſucap. 7) So z B. hat eine Frau von dem, ſo der Mann ihr geſchenkt hat, bey Lebzeiten des Mannes keinen buͤrgerlichen Beſitz. L. 26.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/570
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/570>, abgerufen am 28.03.2024.