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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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erzählt, die groß wie Füchse, das Gold aus den Mi-
nen ziehen, dem Bericht des Megasthenes gemäß,
der als Gesandter des Königs Seleucus am Ganges
war; was Ctesias von dem Martichore erzählt, einem
Thiere das ein Menschengesicht trägt, dann von den
Cynocephalen und den Quellen, die flüssiges Gold
ausströmen; was sich bei Plinius und Solinus von
den Scyriten, den Astomen, die nur vom Geruche
leben, den Pigmäen u. s. w. findet, begründete schon
einen Fabelkreis, den man in der Folge nur erwei-
tern durfte, um die Poesie der Zeit in ihn zu bannen.
Schon bey Julius Africanus, der im dritten Jahr-
hundert lebte, findet sich die Fabel vom Nectanebo
dem ägyptischen König, angeblichen Vater Alexanders,
und in den frühern Zeiten schon rundet das Ganze sich
zum Epos, in der Alexandriade des Arianos in vier
und zwanzig Gesängen, in der des Kaysers Hadrian
und des Soterichos aus der Oasis in Libyen, der die
Eroberung von Theben besang. Aber ganz eigentlich
zur Vollendung kam erst diese romantische Heracleide,
in dem Werke des falschen Callisthenes, dessen Ver-
sasser, wahrscheinlich ein neugriechischer Mönch, wie
man glaubt gegen das zehnte Jahrhundert lebte, von
dem aber das Original, wie es scheint untergegangen
ist, und nur noch in den Nachbildungen lebt. Mit

erzählt, die groß wie Füchſe, das Gold aus den Mi-
nen ziehen, dem Bericht des Megasthenes gemäß,
der als Geſandter des Königs Seleucus am Ganges
war; was Cteſias von dem Martichore erzählt, einem
Thiere das ein Menſchengeſicht trägt, dann von den
Cynocephalen und den Quellen, die flüſſiges Gold
ausſtrömen; was ſich bei Plinius und Solinus von
den Scyriten, den Aſtomen, die nur vom Geruche
leben, den Pigmäen u. ſ. w. findet, begründete ſchon
einen Fabelkreis, den man in der Folge nur erwei-
tern durfte, um die Poeſie der Zeit in ihn zu bannen.
Schon bey Julius Africanus, der im dritten Jahr-
hundert lebte, findet ſich die Fabel vom Nectanebo
dem ägyptiſchen König, angeblichen Vater Alexanders,
und in den frühern Zeiten ſchon rundet das Ganze ſich
zum Epos, in der Alexandriade des Arianos in vier
und zwanzig Geſängen, in der des Kayſers Hadrian
und des Soterichos aus der Oaſis in Libyen, der die
Eroberung von Theben beſang. Aber ganz eigentlich
zur Vollendung kam erſt dieſe romantiſche Heracleide,
in dem Werke des falſchen Callisthenes, deſſen Ver-
ſaſſer, wahrſcheinlich ein neugriechiſcher Mönch, wie
man glaubt gegen das zehnte Jahrhundert lebte, von
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iſt, und nur noch in den Nachbildungen lebt. Mit

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[58/0076] erzählt, die groß wie Füchſe, das Gold aus den Mi- nen ziehen, dem Bericht des Megasthenes gemäß, der als Geſandter des Königs Seleucus am Ganges war; was Cteſias von dem Martichore erzählt, einem Thiere das ein Menſchengeſicht trägt, dann von den Cynocephalen und den Quellen, die flüſſiges Gold ausſtrömen; was ſich bei Plinius und Solinus von den Scyriten, den Aſtomen, die nur vom Geruche leben, den Pigmäen u. ſ. w. findet, begründete ſchon einen Fabelkreis, den man in der Folge nur erwei- tern durfte, um die Poeſie der Zeit in ihn zu bannen. Schon bey Julius Africanus, der im dritten Jahr- hundert lebte, findet ſich die Fabel vom Nectanebo dem ägyptiſchen König, angeblichen Vater Alexanders, und in den frühern Zeiten ſchon rundet das Ganze ſich zum Epos, in der Alexandriade des Arianos in vier und zwanzig Geſängen, in der des Kayſers Hadrian und des Soterichos aus der Oaſis in Libyen, der die Eroberung von Theben beſang. Aber ganz eigentlich zur Vollendung kam erſt dieſe romantiſche Heracleide, in dem Werke des falſchen Callisthenes, deſſen Ver- ſaſſer, wahrſcheinlich ein neugriechiſcher Mönch, wie man glaubt gegen das zehnte Jahrhundert lebte, von dem aber das Original, wie es ſcheint untergegangen iſt, und nur noch in den Nachbildungen lebt. Mit

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/76>, abgerufen am 28.03.2024.