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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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einer Vorrede Georgii Spalatini. Nürn-
berg.

Zart, innig, mild, von einem linden Liebesscheine
übergossen; alles Scharfe, Zackigte weggeschmolzen in
dem lauen Hauche, ganz der Geist der Troubadours,
jener warme befruchtende Südwest, der drei Jahrhun-
derte hindurch aus diesem Punkt der Rose fortdauernd
über Europa hinwehte, und einen schönen Blüthen-
frühling hervorrief in dem ganzen Occident. Wie eine
emsige Biene, die zwischen zwei einsam stehenden, fern
einander entrückten Palmen, hin und wiederfliegt, und
den Samenstaub von Einer zur Andern trägt, und das
Ferne aneinanderknüpft, so tritt gleich Anfangs die
Amme zwischen die beiden Liebenden Peter und Mage-
lone; sorgsam trippelt sie ab und zu, tröstet, räth,
beschwichtigt, und hilft; und wie Peter die Geliebte
nun entführt, und sie ermüdet in seinem Schooße schläft,
und er an ihrer Schöne sich nicht ersättigen kann, und
ein Raubvogel nun den rothen Zendul mit den Ringen,
vermeinend es wäre Fleisch, erwischt, und davonfliegt,
und er ihm nun nacheilend über den Meeresarm vom
Sturm verschlagen endlich, bis zum Sultan kömmt --
das Alles ist mit Gewandheit und leichtem fröhlichen
Sinn erzählt, und wie eine Schwalbe kreisend hin

einer Vorrede Georgii Spalatini. Nuͤrn-
berg.

Zart, innig, mild, von einem linden Liebesſcheine
übergoſſen; alles Scharfe, Zackigte weggeſchmolzen in
dem lauen Hauche, ganz der Geiſt der Troubadours,
jener warme befruchtende Südweſt, der drei Jahrhun-
derte hindurch aus dieſem Punkt der Roſe fortdauernd
über Europa hinwehte, und einen ſchönen Blüthen-
frühling hervorrief in dem ganzen Occident. Wie eine
emſige Biene, die zwiſchen zwei einſam ſtehenden, fern
einander entrückten Palmen, hin und wiederfliegt, und
den Samenſtaub von Einer zur Andern trägt, und das
Ferne aneinanderknüpft, ſo tritt gleich Anfangs die
Amme zwiſchen die beiden Liebenden Peter und Mage-
lone; ſorgſam trippelt ſie ab und zu, tröſtet, räth,
beſchwichtigt, und hilft; und wie Peter die Geliebte
nun entführt, und ſie ermüdet in ſeinem Schooße ſchläft,
und er an ihrer Schöne ſich nicht erſättigen kann, und
ein Raubvogel nun den rothen Zendul mit den Ringen,
vermeinend es wäre Fleiſch, erwiſcht, und davonfliegt,
und er ihm nun nacheilend über den Meeresarm vom
Sturm verſchlagen endlich, bis zum Sultan kömmt —
das Alles iſt mit Gewandheit und leichtem fröhlichen
Sinn erzählt, und wie eine Schwalbe kreiſend hin

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[152/0170] einer Vorrede Georgii Spalatini. Nuͤrn- berg. Zart, innig, mild, von einem linden Liebesſcheine übergoſſen; alles Scharfe, Zackigte weggeſchmolzen in dem lauen Hauche, ganz der Geiſt der Troubadours, jener warme befruchtende Südweſt, der drei Jahrhun- derte hindurch aus dieſem Punkt der Roſe fortdauernd über Europa hinwehte, und einen ſchönen Blüthen- frühling hervorrief in dem ganzen Occident. Wie eine emſige Biene, die zwiſchen zwei einſam ſtehenden, fern einander entrückten Palmen, hin und wiederfliegt, und den Samenſtaub von Einer zur Andern trägt, und das Ferne aneinanderknüpft, ſo tritt gleich Anfangs die Amme zwiſchen die beiden Liebenden Peter und Mage- lone; ſorgſam trippelt ſie ab und zu, tröſtet, räth, beſchwichtigt, und hilft; und wie Peter die Geliebte nun entführt, und ſie ermüdet in ſeinem Schooße ſchläft, und er an ihrer Schöne ſich nicht erſättigen kann, und ein Raubvogel nun den rothen Zendul mit den Ringen, vermeinend es wäre Fleiſch, erwiſcht, und davonfliegt, und er ihm nun nacheilend über den Meeresarm vom Sturm verſchlagen endlich, bis zum Sultan kömmt — das Alles iſt mit Gewandheit und leichtem fröhlichen Sinn erzählt, und wie eine Schwalbe kreiſend hin

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/170>, abgerufen am 23.04.2024.