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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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die mit dem Zustande der älteren Medizin zu den Zei-
ten Avicennas zusammenhiengen, die aber darum gar
nicht die Neuere rechtfertigen, daß sie das Ganze als
grundlosen Aberglauben verwarf. Auf ähnlichem
Grunde beruht die folgende Rubrick: Regiment, wie
man sich in einem jeglichen Monat halten soll, und
der sieben Planeten Eigenschaft, und was in eines je-
den Stand zu thun und zu lassen sey, auch wenn
sich schön, feucht oder naß Wetter begeben. Ein
astrologisches Schema, nach dem jeder, der Glauben
daran hat, sein Leben und seinen Wandel reguliren
mag; eine Art von physischem, kathegorischen Impe-
rativ, der immerhin neben dem Moralischen bestehen
mag. Wenn einmal Ordnung seyn soll im menschli-
chen Thun und Treiben, dann mag auch wohl einmal
die Ordnung des Himmels, und der Lauf der Ge-
stirne als Regulativ erscheinen, und gerade dieses
könnte für die unteren Volksklassen tauglicher als je-
des Formale seyn, weil ohnehin seiner Willkühr in
allen seinen Verhältnissen wenig überlassen bleibt, und
diese überhaupt in allen ihren Aeußerungen oft sehr
unbehülflich sich zu benehmen pflegt. Daher ist denn
auch bei allen Nationen diese Naturethik jeder andern
Intellectualen voran gegangen. Folgen weiter etliche
nützliche Aufmerkungen und Regeln für die Weinhäcker,

die mit dem Zuſtande der älteren Medizin zu den Zei-
ten Avicennas zuſammenhiengen, die aber darum gar
nicht die Neuere rechtfertigen, daß ſie das Ganze als
grundloſen Aberglauben verwarf. Auf ähnlichem
Grunde beruht die folgende Rubrick: Regiment, wie
man ſich in einem jeglichen Monat halten ſoll, und
der ſieben Planeten Eigenſchaft, und was in eines je-
den Stand zu thun und zu laſſen ſey, auch wenn
ſich ſchön, feucht oder naß Wetter begeben. Ein
aſtrologiſches Schema, nach dem jeder, der Glauben
daran hat, ſein Leben und ſeinen Wandel reguliren
mag; eine Art von phyſiſchem, kathegoriſchen Impe-
rativ, der immerhin neben dem Moraliſchen beſtehen
mag. Wenn einmal Ordnung ſeyn ſoll im menſchli-
chen Thun und Treiben, dann mag auch wohl einmal
die Ordnung des Himmels, und der Lauf der Ge-
ſtirne als Regulativ erſcheinen, und gerade dieſes
könnte für die unteren Volksklaſſen tauglicher als je-
des Formale ſeyn, weil ohnehin ſeiner Willkühr in
allen ſeinen Verhältniſſen wenig überlaſſen bleibt, und
dieſe überhaupt in allen ihren Aeußerungen oft ſehr
unbehülflich ſich zu benehmen pflegt. Daher iſt denn
auch bei allen Nationen dieſe Naturethik jeder andern
Intellectualen voran gegangen. Folgen weiter etliche
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[38/0056] die mit dem Zuſtande der älteren Medizin zu den Zei- ten Avicennas zuſammenhiengen, die aber darum gar nicht die Neuere rechtfertigen, daß ſie das Ganze als grundloſen Aberglauben verwarf. Auf ähnlichem Grunde beruht die folgende Rubrick: Regiment, wie man ſich in einem jeglichen Monat halten ſoll, und der ſieben Planeten Eigenſchaft, und was in eines je- den Stand zu thun und zu laſſen ſey, auch wenn ſich ſchön, feucht oder naß Wetter begeben. Ein aſtrologiſches Schema, nach dem jeder, der Glauben daran hat, ſein Leben und ſeinen Wandel reguliren mag; eine Art von phyſiſchem, kathegoriſchen Impe- rativ, der immerhin neben dem Moraliſchen beſtehen mag. Wenn einmal Ordnung ſeyn ſoll im menſchli- chen Thun und Treiben, dann mag auch wohl einmal die Ordnung des Himmels, und der Lauf der Ge- ſtirne als Regulativ erſcheinen, und gerade dieſes könnte für die unteren Volksklaſſen tauglicher als je- des Formale ſeyn, weil ohnehin ſeiner Willkühr in allen ſeinen Verhältniſſen wenig überlaſſen bleibt, und dieſe überhaupt in allen ihren Aeußerungen oft ſehr unbehülflich ſich zu benehmen pflegt. Daher iſt denn auch bei allen Nationen dieſe Naturethik jeder andern Intellectualen voran gegangen. Folgen weiter etliche nützliche Aufmerkungen und Regeln für die Weinhäcker,

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/56>, abgerufen am 25.04.2024.