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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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eines genuesischen Astrologen. Köln bey
Ch. Everärts, und Achen bei Dreisse.

Wer irgend dem Zufall etwas abgewinnen will, der ent-
sagt der eignen freien Selbstbestimmung; wohin die Winde
und die Sterne ihn führen wollen, da zieht er willig
hin. Insofern im Schlafe der gleiche Zustand der
Aufhebung aller Willkühr und selbständigen Freiheit
eintritt, und im Traume ein gleiches Hingeben an
das phantastische Spielen der Constellationen, ist der
Schlaf allerdings der angemessenste Zustand, um
Glücksspiele zu spielen: der schlafende Mensch muß
dem Glücke ein wohlgefälliger Anblick da liegen.
Daher mag es wohl gekommen seyn, daß man von
eher so viel auf die Bedeutung der Träume rechnete;
da, wo es auf Schicksalswirkung und Eintreffen
glücklicher Zufälle ankam. In dunkler Mitternacht
glaubte man, träte das Schicksal nahe an den Men-
schen, und flüsternd verkünde es ihm in Glück und
Unglück sein Verhängniß. Daraus sind denn auch
diese Bücher erwachsen, indem der wachende Geist
vermessen jene Träume arithmetisch deutete, und jeder
gesehenen Gestalt irgend eine besondere Zahl, Edel-
gesteinen z. B. 71, Eidexen 13, Fenerwerk 61 unter-
legte. So hat das Ganze denselben Werth und

eines genueſiſchen Aſtrologen. Koͤln bey
Ch. Everaͤrts, und Achen bei Dreiſſe.

Wer irgend dem Zufall etwas abgewinnen will, der ent-
ſagt der eignen freien Selbſtbeſtimmung; wohin die Winde
und die Sterne ihn führen wollen, da zieht er willig
hin. Inſofern im Schlafe der gleiche Zuſtand der
Aufhebung aller Willkühr und ſelbſtändigen Freiheit
eintritt, und im Traume ein gleiches Hingeben an
das phantaſtiſche Spielen der Conſtellationen, iſt der
Schlaf allerdings der angemeſſenſte Zuſtand, um
Glücksſpiele zu ſpielen: der ſchlafende Menſch muß
dem Glücke ein wohlgefälliger Anblick da liegen.
Daher mag es wohl gekommen ſeyn, daß man von
eher ſo viel auf die Bedeutung der Träume rechnete;
da, wo es auf Schickſalswirkung und Eintreffen
glücklicher Zufälle ankam. In dunkler Mitternacht
glaubte man, träte das Schickſal nahe an den Men-
ſchen, und flüſternd verkünde es ihm in Glück und
Unglück ſein Verhängniß. Daraus ſind denn auch
dieſe Bücher erwachſen, indem der wachende Geiſt
vermeſſen jene Träume arithmetiſch deutete, und jeder
geſehenen Geſtalt irgend eine beſondere Zahl, Edel-
geſteinen z. B. 71, Eidexen 13, Fenerwerk 61 unter-
legte. So hat das Ganze denſelben Werth und

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[40/0058] eines genueſiſchen Aſtrologen. Koͤln bey Ch. Everaͤrts, und Achen bei Dreiſſe. Wer irgend dem Zufall etwas abgewinnen will, der ent- ſagt der eignen freien Selbſtbeſtimmung; wohin die Winde und die Sterne ihn führen wollen, da zieht er willig hin. Inſofern im Schlafe der gleiche Zuſtand der Aufhebung aller Willkühr und ſelbſtändigen Freiheit eintritt, und im Traume ein gleiches Hingeben an das phantaſtiſche Spielen der Conſtellationen, iſt der Schlaf allerdings der angemeſſenſte Zuſtand, um Glücksſpiele zu ſpielen: der ſchlafende Menſch muß dem Glücke ein wohlgefälliger Anblick da liegen. Daher mag es wohl gekommen ſeyn, daß man von eher ſo viel auf die Bedeutung der Träume rechnete; da, wo es auf Schickſalswirkung und Eintreffen glücklicher Zufälle ankam. In dunkler Mitternacht glaubte man, träte das Schickſal nahe an den Men- ſchen, und flüſternd verkünde es ihm in Glück und Unglück ſein Verhängniß. Daraus ſind denn auch dieſe Bücher erwachſen, indem der wachende Geiſt vermeſſen jene Träume arithmetiſch deutete, und jeder geſehenen Geſtalt irgend eine beſondere Zahl, Edel- geſteinen z. B. 71, Eidexen 13, Fenerwerk 61 unter- legte. So hat das Ganze denſelben Werth und

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/58>, abgerufen am 19.04.2024.