Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

das der andere denkt und eben zum Wort-
räthsel umbilden will, durch die unmittel-
barste Divination erkannt und ausgespro-
chen.

Indem man dergleichen zu unsern Zei-
ten erzählt und betheuert, darf man nicht
fürchten lächerlich zu werden, da solche
psychische Erscheinungen noch lange nicht
an dasjenige reichen, was der organische
Magnetismus zu Tage gebracht hat.


Chiffer.

Eine andere Art aber sich zu verstän-
digen ist geistreich und herzlich! Wenn
bey der vorigen Ohr und Witz im Spiele
war, so ist es hier ein zartliebender, ästhe-
tischer Sinn, der sich der höchsten Dich-
tung gleich stellt.

Im Orient lernte man den Koran aus-
wendig und so gaben die Suren und Verse,
durch die mindeste Anspielung, ein leichtes
Verständniss unter den Geübten. Das Glei-

das der andere denkt und eben zum Wort-
räthsel umbilden will, durch die unmittel-
barste Divination erkannt und ausgespro-
chen.

Indem man dergleichen zu unsern Zei-
ten erzählt und betheuert, darf man nicht
fürchten lächerlich zu werden, da solche
psychische Erscheinungen noch lange nicht
an dasjenige reichen, was der organische
Magnetismus zu Tage gebracht hat.


Chiffer.

Eine andere Art aber sich zu verstän-
digen ist geistreich und herzlich! Wenn
bey der vorigen Ohr und Witz im Spiele
war, so ist es hier ein zartliebender, ästhe-
tischer Sinn, der sich der höchsten Dich-
tung gleich stellt.

Im Orient lernte man den Koran aus-
wendig und so gaben die Suren und Verse,
durch die mindeste Anspielung, ein leichtes
Verständniſs unter den Geübten. Das Glei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0402" n="392"/>
das der andere denkt und eben zum Wort-<lb/>
räthsel umbilden will, durch die unmittel-<lb/>
barste Divination erkannt und ausgespro-<lb/>
chen.</p><lb/>
          <p>Indem man dergleichen zu unsern Zei-<lb/>
ten erzählt und betheuert, darf man nicht<lb/>
fürchten lächerlich zu werden, da solche<lb/>
psychische Erscheinungen noch lange nicht<lb/>
an dasjenige reichen, was der organische<lb/>
Magnetismus zu Tage gebracht hat.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Chiffer</hi>.</hi> </hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Eine andere Art aber sich zu verstän-<lb/>
digen ist geistreich und herzlich! Wenn<lb/>
bey der vorigen Ohr und Witz im Spiele<lb/>
war, so ist es hier ein zartliebender, ästhe-<lb/>
tischer Sinn, der sich der höchsten Dich-<lb/>
tung gleich stellt.</p><lb/>
          <p>Im Orient lernte man den Koran aus-<lb/>
wendig und so gaben die Suren und Verse,<lb/>
durch die mindeste Anspielung, ein leichtes<lb/>
Verständni&#x017F;s unter den Geübten. Das Glei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0402] das der andere denkt und eben zum Wort- räthsel umbilden will, durch die unmittel- barste Divination erkannt und ausgespro- chen. Indem man dergleichen zu unsern Zei- ten erzählt und betheuert, darf man nicht fürchten lächerlich zu werden, da solche psychische Erscheinungen noch lange nicht an dasjenige reichen, was der organische Magnetismus zu Tage gebracht hat. Chiffer. Eine andere Art aber sich zu verstän- digen ist geistreich und herzlich! Wenn bey der vorigen Ohr und Witz im Spiele war, so ist es hier ein zartliebender, ästhe- tischer Sinn, der sich der höchsten Dich- tung gleich stellt. Im Orient lernte man den Koran aus- wendig und so gaben die Suren und Verse, durch die mindeste Anspielung, ein leichtes Verständniſs unter den Geübten. Das Glei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/402
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/402>, abgerufen am 23.04.2024.