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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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Tavernier und Chardin.

Ersterer, Goldschmidt und Juwelen-
händler, dringt mit Verstand und klugem
Betragen, kostbar-kunstreiche Waaren zu
seiner Empfehlung vorzeigend, an die orien-
talischen Höfe und weiss sich überall zu
schicken und zu finden. Er gelangt nach
Indien zu den Demantgruben, und, nach
einer gefahrvollen Rückreise, wird er im
Westen nicht zum freundlichsten aufgenom-
men. Dessen hinterlassene Schriften sind
höchst belehrend, und doch wird er von
seinem Landsmann, Nachfolger und Rival
Chardin nicht sowohl im Lebensgange
gehindert, als in der öffentlichen Meynung
nachher verdunkelt. Dieser, der sich gleich
zu Anfang seiner Reise durch die grössten
Hindernisse durcharbeiten muss, versteht
denn auch die Sinnesweise orientalischer
Macht- und Geldhaber, die zwischen Gross-
muth und Eigennutz schwankt, trefflich zu

Tavernier und Chardin.

Ersterer, Goldschmidt und Juwelen-
händler, dringt mit Verstand und klugem
Betragen, kostbar-kunstreiche Waaren zu
seiner Empfehlung vorzeigend, an die orien-
talischen Höfe und weiſs sich überall zu
schicken und zu finden. Er gelangt nach
Indien zu den Demantgruben, und, nach
einer gefahrvollen Rückreise, wird er im
Westen nicht zum freundlichsten aufgenom-
men. Dessen hinterlassene Schriften sind
höchst belehrend, und doch wird er von
seinem Landsmann, Nachfolger und Rival
Chardin nicht sowohl im Lebensgange
gehindert, als in der öffentlichen Meynung
nachher verdunkelt. Dieser, der sich gleich
zu Anfang seiner Reise durch die gröſsten
Hindernisse durcharbeiten muſs, versteht
denn auch die Sinnesweise orientalischer
Macht- und Geldhaber, die zwischen Groſs-
muth und Eigennutz schwankt, trefflich zu

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[501/0511] Tavernier und Chardin. Ersterer, Goldschmidt und Juwelen- händler, dringt mit Verstand und klugem Betragen, kostbar-kunstreiche Waaren zu seiner Empfehlung vorzeigend, an die orien- talischen Höfe und weiſs sich überall zu schicken und zu finden. Er gelangt nach Indien zu den Demantgruben, und, nach einer gefahrvollen Rückreise, wird er im Westen nicht zum freundlichsten aufgenom- men. Dessen hinterlassene Schriften sind höchst belehrend, und doch wird er von seinem Landsmann, Nachfolger und Rival Chardin nicht sowohl im Lebensgange gehindert, als in der öffentlichen Meynung nachher verdunkelt. Dieser, der sich gleich zu Anfang seiner Reise durch die gröſsten Hindernisse durcharbeiten muſs, versteht denn auch die Sinnesweise orientalischer Macht- und Geldhaber, die zwischen Groſs- muth und Eigennutz schwankt, trefflich zu

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/511>, abgerufen am 24.04.2024.