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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Prisma betrachten; so werden wir alles, was wir bey
grauen Flächen bemerkt haben, hier abermals finden.

260.

Verrücken wir ein farbiges Bild, so entsteht, wie
bey farblosen Bildern, nach eben den Gesetzen, ein Ne-
benbild. Dieses Nebenbild behält, was die Farbe be-
trifft, seine ursprüngliche Natur bey und wirkt auf der
einen Seite als ein Blaues und Blaurothes, auf der
entgegengesetzten als ein Gelbes und Gelbrothes. Da-
her muß der Fall eintreten, daß die Scheinfarbe des
Randes und des Saumes mit der realen Farbe eines
farbigen Bildes homogen sey; es kann aber auch im
andern Falle das mit einem Pigment gefärbte Bild
mit dem erscheinenden Rand und Saum sich heterogen
finden. In dem ersten Falle identificirt sich das Schein-
bild mit dem wahren und scheint dasselbe zu vergrößern;
dahingegen in dem zweyten Falle das wahre Bild durch
das Scheinbild verunreinigt, undeutlich gemacht und
verkleinert werden kann. Wir wollen die Fälle durch-
gehen, wo diese Wirkungen sich am sonderbarsten
zeigen.

261.

Man nehme die zu diesen Versuchen vorbereitete
Tafel vor sich, und betrachte das rothe und blaue
Viereck auf schwarzem Grunde neben einander, nach
der gewöhnlichen Weise durchs Prisma; so werden, da
beyde Farben heller sind als der Grund, an beyden,
sowohl oben als unten, gleiche farbige Ränder und Säu-

Prisma betrachten; ſo werden wir alles, was wir bey
grauen Flaͤchen bemerkt haben, hier abermals finden.

260.

Verruͤcken wir ein farbiges Bild, ſo entſteht, wie
bey farbloſen Bildern, nach eben den Geſetzen, ein Ne-
benbild. Dieſes Nebenbild behaͤlt, was die Farbe be-
trifft, ſeine urſpruͤngliche Natur bey und wirkt auf der
einen Seite als ein Blaues und Blaurothes, auf der
entgegengeſetzten als ein Gelbes und Gelbrothes. Da-
her muß der Fall eintreten, daß die Scheinfarbe des
Randes und des Saumes mit der realen Farbe eines
farbigen Bildes homogen ſey; es kann aber auch im
andern Falle das mit einem Pigment gefaͤrbte Bild
mit dem erſcheinenden Rand und Saum ſich heterogen
finden. In dem erſten Falle identificirt ſich das Schein-
bild mit dem wahren und ſcheint daſſelbe zu vergroͤßern;
dahingegen in dem zweyten Falle das wahre Bild durch
das Scheinbild verunreinigt, undeutlich gemacht und
verkleinert werden kann. Wir wollen die Faͤlle durch-
gehen, wo dieſe Wirkungen ſich am ſonderbarſten
zeigen.

261.

Man nehme die zu dieſen Verſuchen vorbereitete
Tafel vor ſich, und betrachte das rothe und blaue
Viereck auf ſchwarzem Grunde neben einander, nach
der gewoͤhnlichen Weiſe durchs Prisma; ſo werden, da
beyde Farben heller ſind als der Grund, an beyden,
ſowohl oben als unten, gleiche farbige Raͤnder und Saͤu-

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[98/0152] Prisma betrachten; ſo werden wir alles, was wir bey grauen Flaͤchen bemerkt haben, hier abermals finden. 260. Verruͤcken wir ein farbiges Bild, ſo entſteht, wie bey farbloſen Bildern, nach eben den Geſetzen, ein Ne- benbild. Dieſes Nebenbild behaͤlt, was die Farbe be- trifft, ſeine urſpruͤngliche Natur bey und wirkt auf der einen Seite als ein Blaues und Blaurothes, auf der entgegengeſetzten als ein Gelbes und Gelbrothes. Da- her muß der Fall eintreten, daß die Scheinfarbe des Randes und des Saumes mit der realen Farbe eines farbigen Bildes homogen ſey; es kann aber auch im andern Falle das mit einem Pigment gefaͤrbte Bild mit dem erſcheinenden Rand und Saum ſich heterogen finden. In dem erſten Falle identificirt ſich das Schein- bild mit dem wahren und ſcheint daſſelbe zu vergroͤßern; dahingegen in dem zweyten Falle das wahre Bild durch das Scheinbild verunreinigt, undeutlich gemacht und verkleinert werden kann. Wir wollen die Faͤlle durch- gehen, wo dieſe Wirkungen ſich am ſonderbarſten zeigen. 261. Man nehme die zu dieſen Verſuchen vorbereitete Tafel vor ſich, und betrachte das rothe und blaue Viereck auf ſchwarzem Grunde neben einander, nach der gewoͤhnlichen Weiſe durchs Prisma; ſo werden, da beyde Farben heller ſind als der Grund, an beyden, ſowohl oben als unten, gleiche farbige Raͤnder und Saͤu-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/152>, abgerufen am 29.03.2024.