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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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tallen tritt auch dieses Phänomen auffallend hervor;
doch läßt sich durchaus bemerken, daß wenn es erschei-
nen soll, irgend ein Bild, eine Abwechselung des Dunk-
len und Hellen, bey der Abspiegelung mitwirken müsse,
so daß ein Fensterstab, der Ast eines Baumes, ein zu-
fälliges oder mit Vorsatz aufgestelltes Hinderniß, eine
merkliche Wirkung hervorbringt. Auch diese Erschei-
nung läßt sich in der Camera obscura objectiviren.

373.

Läßt man ein polirtes Silber durch Scheidewasser
dergestalt anfressen, daß das darin befindliche Kupfer
aufgelöst und die Oberfläche gewissermaßen rauh wer-
de, und läßt alsdann das Sonnenbild sich auf der
Platte spiegeln; so wird es von jedem unendlich klei-
nen erhöhten Puncte einzeln zurückglänzen, und die
Oberfläche der Platte in bunten Farben erscheinen.
Eben so, wenn man ein schwarzes ungeglättetes Papier
in die Sonne hält und aufmerksam darauf blickt, sieht
man es in seinen kleinsten Theilen bunt in den lebhaf-
testen Farben glänzen.

374.

Diese sämmtlichen Erfahrungen deuten auf eben die-
selben Bedingungen hin. In dem ersten Falle scheint das
Lichtbild von einer schmalen Linie zurück; in dem zwey-
ten wahrscheinlich von scharfen Kanten; in dem dritten
von sehr kleinen Puncten. Bey allen wird ein lebhaf-
tes Licht und eine Begränzung desselben verlangt. Nicht
weniger wird zu diesen sämmtlichen Farberscheinungen

I. 10

tallen tritt auch dieſes Phaͤnomen auffallend hervor;
doch laͤßt ſich durchaus bemerken, daß wenn es erſchei-
nen ſoll, irgend ein Bild, eine Abwechſelung des Dunk-
len und Hellen, bey der Abſpiegelung mitwirken muͤſſe,
ſo daß ein Fenſterſtab, der Aſt eines Baumes, ein zu-
faͤlliges oder mit Vorſatz aufgeſtelltes Hinderniß, eine
merkliche Wirkung hervorbringt. Auch dieſe Erſchei-
nung laͤßt ſich in der Camera obſcura objectiviren.

373.

Laͤßt man ein polirtes Silber durch Scheidewaſſer
dergeſtalt anfreſſen, daß das darin befindliche Kupfer
aufgeloͤſt und die Oberflaͤche gewiſſermaßen rauh wer-
de, und laͤßt alsdann das Sonnenbild ſich auf der
Platte ſpiegeln; ſo wird es von jedem unendlich klei-
nen erhoͤhten Puncte einzeln zuruͤckglaͤnzen, und die
Oberflaͤche der Platte in bunten Farben erſcheinen.
Eben ſo, wenn man ein ſchwarzes ungeglaͤttetes Papier
in die Sonne haͤlt und aufmerkſam darauf blickt, ſieht
man es in ſeinen kleinſten Theilen bunt in den lebhaf-
teſten Farben glaͤnzen.

374.

Dieſe ſaͤmmtlichen Erfahrungen deuten auf eben die-
ſelben Bedingungen hin. In dem erſten Falle ſcheint das
Lichtbild von einer ſchmalen Linie zuruͤck; in dem zwey-
ten wahrſcheinlich von ſcharfen Kanten; in dem dritten
von ſehr kleinen Puncten. Bey allen wird ein lebhaf-
tes Licht und eine Begraͤnzung deſſelben verlangt. Nicht
weniger wird zu dieſen ſaͤmmtlichen Farberſcheinungen

I. 10
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[145/0199] tallen tritt auch dieſes Phaͤnomen auffallend hervor; doch laͤßt ſich durchaus bemerken, daß wenn es erſchei- nen ſoll, irgend ein Bild, eine Abwechſelung des Dunk- len und Hellen, bey der Abſpiegelung mitwirken muͤſſe, ſo daß ein Fenſterſtab, der Aſt eines Baumes, ein zu- faͤlliges oder mit Vorſatz aufgeſtelltes Hinderniß, eine merkliche Wirkung hervorbringt. Auch dieſe Erſchei- nung laͤßt ſich in der Camera obſcura objectiviren. 373. Laͤßt man ein polirtes Silber durch Scheidewaſſer dergeſtalt anfreſſen, daß das darin befindliche Kupfer aufgeloͤſt und die Oberflaͤche gewiſſermaßen rauh wer- de, und laͤßt alsdann das Sonnenbild ſich auf der Platte ſpiegeln; ſo wird es von jedem unendlich klei- nen erhoͤhten Puncte einzeln zuruͤckglaͤnzen, und die Oberflaͤche der Platte in bunten Farben erſcheinen. Eben ſo, wenn man ein ſchwarzes ungeglaͤttetes Papier in die Sonne haͤlt und aufmerkſam darauf blickt, ſieht man es in ſeinen kleinſten Theilen bunt in den lebhaf- teſten Farben glaͤnzen. 374. Dieſe ſaͤmmtlichen Erfahrungen deuten auf eben die- ſelben Bedingungen hin. In dem erſten Falle ſcheint das Lichtbild von einer ſchmalen Linie zuruͤck; in dem zwey- ten wahrſcheinlich von ſcharfen Kanten; in dem dritten von ſehr kleinen Puncten. Bey allen wird ein lebhaf- tes Licht und eine Begraͤnzung deſſelben verlangt. Nicht weniger wird zu dieſen ſaͤmmtlichen Farberſcheinungen I. 10

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/199>, abgerufen am 18.04.2024.