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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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erfordert, daß sich das Auge in einer proportionirten
Ferne von den reflectirenden Puncten befinde.

375.

Stellt man diese Beobachtungen unter dem Mikro-
skop an, so wird die Erscheinung an Kraft und Glanz
unendlich wachsen: denn man sieht alsdann die klein-
sten Theile der Körper, von der Sonne beschienen, in
diesen Reflexionsfarben schimmern, die, mit den Re-
fractionsfarben verwandt, sich nun auf die höchste Stu-
fe ihrer Herrlichkeit erheben. Man bemerkt in solchem
Falle ein wurmförmig Buntes auf der Oberfläche orga-
nischer Körper, wovon das Nähere künftig vorgelegt
werden soll.

376.

Uebrigens sind die Farben, welche bey der Reflexion
sich zeigen, vorzüglich Purpur und Grün; woraus sich
vermuthen läßt, daß besonders die streifige Erscheinung
aus einer zarten Purpurlinie bestehe, welche an ihren
beyden Seiten theils mit Blau, theils mit Gelb einge-
faßt ist. Treten die Linien sehr nahe zusammen, so
muß der Zwischenraum grün erscheinen; ein Phänomen,
das uns noch oft vorkommen wird.

377.

In der Natur begegnen uns dergleichen Farben
öfters. Die Farben der Spinneweben setzen wir denen,
die von Stahlsaiten wiederscheinen, völlig gleich, ob
sich schon daran nicht so gut als an dem Stahl die

erfordert, daß ſich das Auge in einer proportionirten
Ferne von den reflectirenden Puncten befinde.

375.

Stellt man dieſe Beobachtungen unter dem Mikro-
ſkop an, ſo wird die Erſcheinung an Kraft und Glanz
unendlich wachſen: denn man ſieht alsdann die klein-
ſten Theile der Koͤrper, von der Sonne beſchienen, in
dieſen Reflexionsfarben ſchimmern, die, mit den Re-
fractionsfarben verwandt, ſich nun auf die hoͤchſte Stu-
fe ihrer Herrlichkeit erheben. Man bemerkt in ſolchem
Falle ein wurmfoͤrmig Buntes auf der Oberflaͤche orga-
niſcher Koͤrper, wovon das Naͤhere kuͤnftig vorgelegt
werden ſoll.

376.

Uebrigens ſind die Farben, welche bey der Reflexion
ſich zeigen, vorzuͤglich Purpur und Gruͤn; woraus ſich
vermuthen laͤßt, daß beſonders die ſtreifige Erſcheinung
aus einer zarten Purpurlinie beſtehe, welche an ihren
beyden Seiten theils mit Blau, theils mit Gelb einge-
faßt iſt. Treten die Linien ſehr nahe zuſammen, ſo
muß der Zwiſchenraum gruͤn erſcheinen; ein Phaͤnomen,
das uns noch oft vorkommen wird.

377.

In der Natur begegnen uns dergleichen Farben
oͤfters. Die Farben der Spinneweben ſetzen wir denen,
die von Stahlſaiten wiederſcheinen, voͤllig gleich, ob
ſich ſchon daran nicht ſo gut als an dem Stahl die

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[146/0200] erfordert, daß ſich das Auge in einer proportionirten Ferne von den reflectirenden Puncten befinde. 375. Stellt man dieſe Beobachtungen unter dem Mikro- ſkop an, ſo wird die Erſcheinung an Kraft und Glanz unendlich wachſen: denn man ſieht alsdann die klein- ſten Theile der Koͤrper, von der Sonne beſchienen, in dieſen Reflexionsfarben ſchimmern, die, mit den Re- fractionsfarben verwandt, ſich nun auf die hoͤchſte Stu- fe ihrer Herrlichkeit erheben. Man bemerkt in ſolchem Falle ein wurmfoͤrmig Buntes auf der Oberflaͤche orga- niſcher Koͤrper, wovon das Naͤhere kuͤnftig vorgelegt werden ſoll. 376. Uebrigens ſind die Farben, welche bey der Reflexion ſich zeigen, vorzuͤglich Purpur und Gruͤn; woraus ſich vermuthen laͤßt, daß beſonders die ſtreifige Erſcheinung aus einer zarten Purpurlinie beſtehe, welche an ihren beyden Seiten theils mit Blau, theils mit Gelb einge- faßt iſt. Treten die Linien ſehr nahe zuſammen, ſo muß der Zwiſchenraum gruͤn erſcheinen; ein Phaͤnomen, das uns noch oft vorkommen wird. 377. In der Natur begegnen uns dergleichen Farben oͤfters. Die Farben der Spinneweben ſetzen wir denen, die von Stahlſaiten wiederſcheinen, voͤllig gleich, ob ſich ſchon daran nicht ſo gut als an dem Stahl die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/200>, abgerufen am 25.04.2024.