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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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423.

Diese Phänomene scheinen daher zu entstehen, daß
die Feuchtigkeiten unsres Auges eigentlich nur in der
Mitte, wo das Sehen vorgeht, wirklich achroma-
tisch sind, daß aber gegen die Peripherie zu, und
in unnatürlichen Stellungen, als Auf- und Nieder-
biegen des Kopfes, wirklich eine chromatische Eigen-
schaft, besonders wenn scharf absetzende Bilder be-
trachtet werden, übrig bleibe. Daher diese Phäno-
mene zu jenen gehören mögen, welche mit den diop-
trischen der zweyten Classe verwandt sind.

424.

Aehnliche Farben erscheinen, wenn man gegen
schwarze und weiße Bilder durch den Nadelstich einer
Charte sieht. Statt des weißen Bildes kann man
auch den lichten Punct im Bleche des Ladens der Ca-
mera obscura wählen, wenn die Vorrichtung zu den
paroptischen Farben gemacht ist.

425.

Wenn man durch eine Röhre durchsieht, deren
untre Oeffnung verengt, oder durch verschiedene Aus-
schnitte bedingt ist, erscheinen die Farben gleichfalls.

426.

An die paroptischen Erscheinungen aber schließen
sich meines Bedünkens folgende Phänomene näher an.
Wenn man eine Nadelspitze nah vor das Auge hält,
so entsteht in demselben ein Doppelbild. Besonders

423.

Dieſe Phaͤnomene ſcheinen daher zu entſtehen, daß
die Feuchtigkeiten unſres Auges eigentlich nur in der
Mitte, wo das Sehen vorgeht, wirklich achroma-
tiſch ſind, daß aber gegen die Peripherie zu, und
in unnatuͤrlichen Stellungen, als Auf- und Nieder-
biegen des Kopfes, wirklich eine chromatiſche Eigen-
ſchaft, beſonders wenn ſcharf abſetzende Bilder be-
trachtet werden, uͤbrig bleibe. Daher dieſe Phaͤno-
mene zu jenen gehoͤren moͤgen, welche mit den diop-
triſchen der zweyten Claſſe verwandt ſind.

424.

Aehnliche Farben erſcheinen, wenn man gegen
ſchwarze und weiße Bilder durch den Nadelſtich einer
Charte ſieht. Statt des weißen Bildes kann man
auch den lichten Punct im Bleche des Ladens der Ca-
mera obſcura waͤhlen, wenn die Vorrichtung zu den
paroptiſchen Farben gemacht iſt.

425.

Wenn man durch eine Roͤhre durchſieht, deren
untre Oeffnung verengt, oder durch verſchiedene Aus-
ſchnitte bedingt iſt, erſcheinen die Farben gleichfalls.

426.

An die paroptiſchen Erſcheinungen aber ſchließen
ſich meines Beduͤnkens folgende Phaͤnomene naͤher an.
Wenn man eine Nadelſpitze nah vor das Auge haͤlt,
ſo entſteht in demſelben ein Doppelbild. Beſonders

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[162/0216] 423. Dieſe Phaͤnomene ſcheinen daher zu entſtehen, daß die Feuchtigkeiten unſres Auges eigentlich nur in der Mitte, wo das Sehen vorgeht, wirklich achroma- tiſch ſind, daß aber gegen die Peripherie zu, und in unnatuͤrlichen Stellungen, als Auf- und Nieder- biegen des Kopfes, wirklich eine chromatiſche Eigen- ſchaft, beſonders wenn ſcharf abſetzende Bilder be- trachtet werden, uͤbrig bleibe. Daher dieſe Phaͤno- mene zu jenen gehoͤren moͤgen, welche mit den diop- triſchen der zweyten Claſſe verwandt ſind. 424. Aehnliche Farben erſcheinen, wenn man gegen ſchwarze und weiße Bilder durch den Nadelſtich einer Charte ſieht. Statt des weißen Bildes kann man auch den lichten Punct im Bleche des Ladens der Ca- mera obſcura waͤhlen, wenn die Vorrichtung zu den paroptiſchen Farben gemacht iſt. 425. Wenn man durch eine Roͤhre durchſieht, deren untre Oeffnung verengt, oder durch verſchiedene Aus- ſchnitte bedingt iſt, erſcheinen die Farben gleichfalls. 426. An die paroptiſchen Erſcheinungen aber ſchließen ſich meines Beduͤnkens folgende Phaͤnomene naͤher an. Wenn man eine Nadelſpitze nah vor das Auge haͤlt, ſo entſteht in demſelben ein Doppelbild. Beſonders

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/216>, abgerufen am 29.03.2024.