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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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gefunden, von welchen die eine Seite angehaucht so-
gleich die Farben lebhaft zeigte, die andre aber nicht.
Nach den überbliebenen Facetten zu urtheilen, war
jene ehmals die freye Seite des Spiegels, diese aber
die innere durch das Quecksilber bedeckte gewesen.

458.

Wie nun diese Versuche sich am besten in der
Kälte anstellen lassen, weil sich die Platte schneller und
reiner anhauchen läßt und der Hauch schneller wieder ab-
läuft; so kann man auch bey starkem Frost, in der Kut-
sche fahrend, das Phänomen im Großen gewahr werden,
wenn die Kutschfenster sehr rein geputzt und sämmtlich
aufgezogen sind. Der Hauch der in der Kutsche sitzen-
den Personen schlägt auf das zarteste an die Scheiben
und erregt sogleich das lebhafteste Farbenspiel. In
wie fern eine regelmäßige Succession darin sey, habe
ich nicht bemerken können. Besonders lebhaft aber
erscheinen die Farben, wenn sie einen dunklen Gegen-
stand zum Hintergrunde haben. Dieser Farbenwechsel
dauert aber nicht lange: denn sobald sich der Hauch
in stärkere Tropfen sammelt oder zu Eisnadeln gefriert,
so ist die Erscheinung alsbald aufgehoben.

459.

Dritte Bedingung. Man kann die beyden
vorhergehenden Versuche des Druckes und Hauches ver-
binden, indem man nehmlich eine Glasplatte anhaucht
und die andre sogleich darauf drückt. Es entstehen
alsdann die Farben, wie beym Drucke zweyer unan-
gehauchten, nur mit dem Unterschiede, daß die Feuch-

gefunden, von welchen die eine Seite angehaucht ſo-
gleich die Farben lebhaft zeigte, die andre aber nicht.
Nach den uͤberbliebenen Facetten zu urtheilen, war
jene ehmals die freye Seite des Spiegels, dieſe aber
die innere durch das Queckſilber bedeckte geweſen.

458.

Wie nun dieſe Verſuche ſich am beſten in der
Kaͤlte anſtellen laſſen, weil ſich die Platte ſchneller und
reiner anhauchen laͤßt und der Hauch ſchneller wieder ab-
laͤuft; ſo kann man auch bey ſtarkem Froſt, in der Kut-
ſche fahrend, das Phaͤnomen im Großen gewahr werden,
wenn die Kutſchfenſter ſehr rein geputzt und ſaͤmmtlich
aufgezogen ſind. Der Hauch der in der Kutſche ſitzen-
den Perſonen ſchlaͤgt auf das zarteſte an die Scheiben
und erregt ſogleich das lebhafteſte Farbenſpiel. In
wie fern eine regelmaͤßige Succeſſion darin ſey, habe
ich nicht bemerken koͤnnen. Beſonders lebhaft aber
erſcheinen die Farben, wenn ſie einen dunklen Gegen-
ſtand zum Hintergrunde haben. Dieſer Farbenwechſel
dauert aber nicht lange: denn ſobald ſich der Hauch
in ſtaͤrkere Tropfen ſammelt oder zu Eisnadeln gefriert,
ſo iſt die Erſcheinung alsbald aufgehoben.

459.

Dritte Bedingung. Man kann die beyden
vorhergehenden Verſuche des Druckes und Hauches ver-
binden, indem man nehmlich eine Glasplatte anhaucht
und die andre ſogleich darauf druͤckt. Es entſtehen
alsdann die Farben, wie beym Drucke zweyer unan-
gehauchten, nur mit dem Unterſchiede, daß die Feuch-

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[176/0230] gefunden, von welchen die eine Seite angehaucht ſo- gleich die Farben lebhaft zeigte, die andre aber nicht. Nach den uͤberbliebenen Facetten zu urtheilen, war jene ehmals die freye Seite des Spiegels, dieſe aber die innere durch das Queckſilber bedeckte geweſen. 458. Wie nun dieſe Verſuche ſich am beſten in der Kaͤlte anſtellen laſſen, weil ſich die Platte ſchneller und reiner anhauchen laͤßt und der Hauch ſchneller wieder ab- laͤuft; ſo kann man auch bey ſtarkem Froſt, in der Kut- ſche fahrend, das Phaͤnomen im Großen gewahr werden, wenn die Kutſchfenſter ſehr rein geputzt und ſaͤmmtlich aufgezogen ſind. Der Hauch der in der Kutſche ſitzen- den Perſonen ſchlaͤgt auf das zarteſte an die Scheiben und erregt ſogleich das lebhafteſte Farbenſpiel. In wie fern eine regelmaͤßige Succeſſion darin ſey, habe ich nicht bemerken koͤnnen. Beſonders lebhaft aber erſcheinen die Farben, wenn ſie einen dunklen Gegen- ſtand zum Hintergrunde haben. Dieſer Farbenwechſel dauert aber nicht lange: denn ſobald ſich der Hauch in ſtaͤrkere Tropfen ſammelt oder zu Eisnadeln gefriert, ſo iſt die Erſcheinung alsbald aufgehoben. 459. Dritte Bedingung. Man kann die beyden vorhergehenden Verſuche des Druckes und Hauches ver- binden, indem man nehmlich eine Glasplatte anhaucht und die andre ſogleich darauf druͤckt. Es entſtehen alsdann die Farben, wie beym Drucke zweyer unan- gehauchten, nur mit dem Unterſchiede, daß die Feuch-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/230>, abgerufen am 24.04.2024.