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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Schritte gethan. Durchsichtige Körper stehen auf der
höchsten Stufe unorganischer Materialität. Zunächst
daran fügt sich die reine Trübe, und das Weiße kann
als die vollendete reine Trübe angesehen werden.

495.

Reines Wasser zu Schnee krystallisirt erscheint
weiß, indem die Durchsichtigkeit der einzelnen Theile
kein durchsichtiges Ganzes macht. Verschiedene Salz-
krystalle, denen das Krystallisationswasser entweicht,
erscheinen als ein weißes Pulver. Man könnte den zu-
fällig undurchsichtigen Zustand des rein Durchsichtigen
Weiß nennen; so wie ein zermalmtes Glas als ein
weißes Pulver erscheint. Man kann dabey die Aufhe-
bung einer dynamischen Verbindung und die Darstel-
lung der atomistischen Eigenschaft der Materie in Be-
tracht ziehn.

496.

Die bekannten unzerlegten Erden sind in ihrem
reinen Zustand alle weiß. Sie gehn durch natürliche
Krystallisation in Durchsichtigkeit über; Kieselerde in
den Bergkrystall, Tonerde in den Glimmer, Bitter-
erde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erscheinen
in so mancherley Späthen durchsichtig.

497.

Da uns bey Färbung mineralischer Körper die
Metallkalke vorzüglich begegnen werden, so bemerken
wir noch zum Schlusse, daß angehende gelinde Säu-
rungen weiße Kalke darstellen, wie das Bley durch
die Essigsäure in Bleyweiß verwandelt wird.


Schritte gethan. Durchſichtige Koͤrper ſtehen auf der
hoͤchſten Stufe unorganiſcher Materialitaͤt. Zunaͤchſt
daran fuͤgt ſich die reine Truͤbe, und das Weiße kann
als die vollendete reine Truͤbe angeſehen werden.

495.

Reines Waſſer zu Schnee kryſtalliſirt erſcheint
weiß, indem die Durchſichtigkeit der einzelnen Theile
kein durchſichtiges Ganzes macht. Verſchiedene Salz-
kryſtalle, denen das Kryſtalliſationswaſſer entweicht,
erſcheinen als ein weißes Pulver. Man koͤnnte den zu-
faͤllig undurchſichtigen Zuſtand des rein Durchſichtigen
Weiß nennen; ſo wie ein zermalmtes Glas als ein
weißes Pulver erſcheint. Man kann dabey die Aufhe-
bung einer dynamiſchen Verbindung und die Darſtel-
lung der atomiſtiſchen Eigenſchaft der Materie in Be-
tracht ziehn.

496.

Die bekannten unzerlegten Erden ſind in ihrem
reinen Zuſtand alle weiß. Sie gehn durch natuͤrliche
Kryſtalliſation in Durchſichtigkeit uͤber; Kieſelerde in
den Bergkryſtall, Tonerde in den Glimmer, Bitter-
erde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erſcheinen
in ſo mancherley Spaͤthen durchſichtig.

497.

Da uns bey Faͤrbung mineraliſcher Koͤrper die
Metallkalke vorzuͤglich begegnen werden, ſo bemerken
wir noch zum Schluſſe, daß angehende gelinde Saͤu-
rungen weiße Kalke darſtellen, wie das Bley durch
die Eſſigſaͤure in Bleyweiß verwandelt wird.


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[189/0243] Schritte gethan. Durchſichtige Koͤrper ſtehen auf der hoͤchſten Stufe unorganiſcher Materialitaͤt. Zunaͤchſt daran fuͤgt ſich die reine Truͤbe, und das Weiße kann als die vollendete reine Truͤbe angeſehen werden. 495. Reines Waſſer zu Schnee kryſtalliſirt erſcheint weiß, indem die Durchſichtigkeit der einzelnen Theile kein durchſichtiges Ganzes macht. Verſchiedene Salz- kryſtalle, denen das Kryſtalliſationswaſſer entweicht, erſcheinen als ein weißes Pulver. Man koͤnnte den zu- faͤllig undurchſichtigen Zuſtand des rein Durchſichtigen Weiß nennen; ſo wie ein zermalmtes Glas als ein weißes Pulver erſcheint. Man kann dabey die Aufhe- bung einer dynamiſchen Verbindung und die Darſtel- lung der atomiſtiſchen Eigenſchaft der Materie in Be- tracht ziehn. 496. Die bekannten unzerlegten Erden ſind in ihrem reinen Zuſtand alle weiß. Sie gehn durch natuͤrliche Kryſtalliſation in Durchſichtigkeit uͤber; Kieſelerde in den Bergkryſtall, Tonerde in den Glimmer, Bitter- erde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erſcheinen in ſo mancherley Spaͤthen durchſichtig. 497. Da uns bey Faͤrbung mineraliſcher Koͤrper die Metallkalke vorzuͤglich begegnen werden, ſo bemerken wir noch zum Schluſſe, daß angehende gelinde Saͤu- rungen weiße Kalke darſtellen, wie das Bley durch die Eſſigſaͤure in Bleyweiß verwandelt wird.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/243>, abgerufen am 25.04.2024.