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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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heit und Eigendünkel eine der andern vorgezogen werde.
Wir getrauen uns aber in Gefolg alles dessen, was
bisher vorgekommen, zu behaupten, daß der weiße
Mensch, d. h. derjenige, dessen Oberfläche vom Wei-
ßen ins Gelbliche, Bräunliche, Röthliche spielt, kurz
dessen Oberfläche am gleichgültigsten erscheint, am
wenigsten sich zu irgend etwas Besondrem hinneigt, der
schönste sey. Und so wird auch wohl künftig, wenn
von der Form die Rede seyn wird, ein solcher Gip-
fel menschlicher Gestalt sich vor das Anschauen bringen
lassen; nicht als ob diese alte Streitfrage hierdurch
für immer entschieden seyn sollte: denn es gibt Men-
schen genug, welche Ursache haben, diese Deutsamkeit
des Aeußern in Zweifel zu setzen; sondern daß dasjenige
ausgesprochen werde, was aus einer Folge von Beob-
achtung und Urtheil einem Sicherheit und Beruhigung
suchenden Gemüthe hervorspringt. Und so fügen wir
zum Schluß noch einige auf die elementarchemische
Farbenlehre sich beziehende Betrachtungen bey.


LV.
Physische und chemische Wirkungen
farbiger Beleuchtung
.

673.

Die physischen und chemischen Wirkungen farblo-
ser Beleuchtung sind bekannt, so daß es hier unnö-

heit und Eigenduͤnkel eine der andern vorgezogen werde.
Wir getrauen uns aber in Gefolg alles deſſen, was
bisher vorgekommen, zu behaupten, daß der weiße
Menſch, d. h. derjenige, deſſen Oberflaͤche vom Wei-
ßen ins Gelbliche, Braͤunliche, Roͤthliche ſpielt, kurz
deſſen Oberflaͤche am gleichguͤltigſten erſcheint, am
wenigſten ſich zu irgend etwas Beſondrem hinneigt, der
ſchoͤnſte ſey. Und ſo wird auch wohl kuͤnftig, wenn
von der Form die Rede ſeyn wird, ein ſolcher Gip-
fel menſchlicher Geſtalt ſich vor das Anſchauen bringen
laſſen; nicht als ob dieſe alte Streitfrage hierdurch
fuͤr immer entſchieden ſeyn ſollte: denn es gibt Men-
ſchen genug, welche Urſache haben, dieſe Deutſamkeit
des Aeußern in Zweifel zu ſetzen; ſondern daß dasjenige
ausgeſprochen werde, was aus einer Folge von Beob-
achtung und Urtheil einem Sicherheit und Beruhigung
ſuchenden Gemuͤthe hervorſpringt. Und ſo fuͤgen wir
zum Schluß noch einige auf die elementarchemiſche
Farbenlehre ſich beziehende Betrachtungen bey.


LV.
Phyſiſche und chemiſche Wirkungen
farbiger Beleuchtung
.

673.

Die phyſiſchen und chemiſchen Wirkungen farblo-
ſer Beleuchtung ſind bekannt, ſo daß es hier unnoͤ-

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[248/0302] heit und Eigenduͤnkel eine der andern vorgezogen werde. Wir getrauen uns aber in Gefolg alles deſſen, was bisher vorgekommen, zu behaupten, daß der weiße Menſch, d. h. derjenige, deſſen Oberflaͤche vom Wei- ßen ins Gelbliche, Braͤunliche, Roͤthliche ſpielt, kurz deſſen Oberflaͤche am gleichguͤltigſten erſcheint, am wenigſten ſich zu irgend etwas Beſondrem hinneigt, der ſchoͤnſte ſey. Und ſo wird auch wohl kuͤnftig, wenn von der Form die Rede ſeyn wird, ein ſolcher Gip- fel menſchlicher Geſtalt ſich vor das Anſchauen bringen laſſen; nicht als ob dieſe alte Streitfrage hierdurch fuͤr immer entſchieden ſeyn ſollte: denn es gibt Men- ſchen genug, welche Urſache haben, dieſe Deutſamkeit des Aeußern in Zweifel zu ſetzen; ſondern daß dasjenige ausgeſprochen werde, was aus einer Folge von Beob- achtung und Urtheil einem Sicherheit und Beruhigung ſuchenden Gemuͤthe hervorſpringt. Und ſo fuͤgen wir zum Schluß noch einige auf die elementarchemiſche Farbenlehre ſich beziehende Betrachtungen bey. LV. Phyſiſche und chemiſche Wirkungen farbiger Beleuchtung. 673. Die phyſiſchen und chemiſchen Wirkungen farblo- ſer Beleuchtung ſind bekannt, ſo daß es hier unnoͤ-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/302>, abgerufen am 29.03.2024.