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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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lichkeit und Energie colores emphatici genannt. Bey
näherer Betrachtung aber kann man allen Farber-
scheinungen eine hohe Emphase zuschreiben; vorausge-
setzt, daß sie unter den reinsten und vollkommensten
Bedingungen dargestellt werden.

694.

Die dunkle Natur der Farbe, ihre hohe gesät-
tigte Qualität ist das, wodurch sie den ernsthaften und
zugleich reizenden Eindruck hervorbringt, und indem
man sie als eine Bedingung des Lichtes ansehen kann,
so kann sie auch das Licht nicht entbehren als der mit-
wirkenden Ursache ihrer Erscheinung, als der Unterlage
ihres Erscheinens, als einer aufscheinenden und die
Farbe manifestirenden Gewalt.


Wie entschieden die Farbe sey.

695.

Entstehen der Farbe und sich entscheiden ist eins.
Wenn das Licht mit einer allgemeinen Gleichgültigkeit
sich und die Gegenstände darstellt, und uns von einer
bedeutungslosen Gegenwart gewiß macht, so zeigt sich
die Farbe jederzeit specifisch, charakteristisch, bedeutend.

696.

Im Allgemeinen betrachtet entscheidet sie sich nach
zwey Seiten. Sie stellt einen Gegensatz dar, den wir

lichkeit und Energie colores emphatici genannt. Bey
naͤherer Betrachtung aber kann man allen Farber-
ſcheinungen eine hohe Emphaſe zuſchreiben; vorausge-
ſetzt, daß ſie unter den reinſten und vollkommenſten
Bedingungen dargeſtellt werden.

694.

Die dunkle Natur der Farbe, ihre hohe geſaͤt-
tigte Qualitaͤt iſt das, wodurch ſie den ernſthaften und
zugleich reizenden Eindruck hervorbringt, und indem
man ſie als eine Bedingung des Lichtes anſehen kann,
ſo kann ſie auch das Licht nicht entbehren als der mit-
wirkenden Urſache ihrer Erſcheinung, als der Unterlage
ihres Erſcheinens, als einer aufſcheinenden und die
Farbe manifeſtirenden Gewalt.


Wie entſchieden die Farbe ſey.

695.

Entſtehen der Farbe und ſich entſcheiden iſt eins.
Wenn das Licht mit einer allgemeinen Gleichguͤltigkeit
ſich und die Gegenſtaͤnde darſtellt, und uns von einer
bedeutungsloſen Gegenwart gewiß macht, ſo zeigt ſich
die Farbe jederzeit ſpecifiſch, charakteriſtiſch, bedeutend.

696.

Im Allgemeinen betrachtet entſcheidet ſie ſich nach
zwey Seiten. Sie ſtellt einen Gegenſatz dar, den wir

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[258/0312] lichkeit und Energie colores emphatici genannt. Bey naͤherer Betrachtung aber kann man allen Farber- ſcheinungen eine hohe Emphaſe zuſchreiben; vorausge- ſetzt, daß ſie unter den reinſten und vollkommenſten Bedingungen dargeſtellt werden. 694. Die dunkle Natur der Farbe, ihre hohe geſaͤt- tigte Qualitaͤt iſt das, wodurch ſie den ernſthaften und zugleich reizenden Eindruck hervorbringt, und indem man ſie als eine Bedingung des Lichtes anſehen kann, ſo kann ſie auch das Licht nicht entbehren als der mit- wirkenden Urſache ihrer Erſcheinung, als der Unterlage ihres Erſcheinens, als einer aufſcheinenden und die Farbe manifeſtirenden Gewalt. Wie entſchieden die Farbe ſey. 695. Entſtehen der Farbe und ſich entſcheiden iſt eins. Wenn das Licht mit einer allgemeinen Gleichguͤltigkeit ſich und die Gegenſtaͤnde darſtellt, und uns von einer bedeutungsloſen Gegenwart gewiß macht, ſo zeigt ſich die Farbe jederzeit ſpecifiſch, charakteriſtiſch, bedeutend. 696. Im Allgemeinen betrachtet entſcheidet ſie ſich nach zwey Seiten. Sie ſtellt einen Gegenſatz dar, den wir

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/312>, abgerufen am 25.04.2024.