Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

alle Farben neben einander im Gleichgewicht angebracht
sind.

886.

Man kann hiedurch das Glänzende sowohl als das
Angenehme hervorbringen, welche beyde jedoch immer
etwas Allgemeines und in diesem Sinne etwas Charak-
terloses haben werden.

887.

Hierin liegt die Ursache, warum das Colorit der
meisten Neuern charakterlos ist; denn indem sie nur
ihrem Instinct folgen, so bleibt das Letzte, wohin er sie
führen kann, die Totalität, die sie mehr oder weni-
ger erreichen, dadurch aber zugleich den Charakter ver-
säumen, den das Bild allenfalls haben könnte.

888.

Hat man hingegen jene Grundsätze im Auge, so
sieht man, wie sich für jeden Gegenstand mit Sicher-
heit eine andre Farbenstimmung wählen läßt. Freylich
fordert die Anwendung unendliche Modificationen, wel-
che dem Genie allein, wenn es von diesen Grundsätzen
durchdrungen ist, gelingen werden.


Aechter Ton.

889.

Wenn man das Wort Ton, oder vielmehr Ton-
art, auch noch künftig von der Musik borgen und bey

alle Farben neben einander im Gleichgewicht angebracht
ſind.

886.

Man kann hiedurch das Glaͤnzende ſowohl als das
Angenehme hervorbringen, welche beyde jedoch immer
etwas Allgemeines und in dieſem Sinne etwas Charak-
terloſes haben werden.

887.

Hierin liegt die Urſache, warum das Colorit der
meiſten Neuern charakterlos iſt; denn indem ſie nur
ihrem Inſtinct folgen, ſo bleibt das Letzte, wohin er ſie
fuͤhren kann, die Totalitaͤt, die ſie mehr oder weni-
ger erreichen, dadurch aber zugleich den Charakter ver-
ſaͤumen, den das Bild allenfalls haben koͤnnte.

888.

Hat man hingegen jene Grundſaͤtze im Auge, ſo
ſieht man, wie ſich fuͤr jeden Gegenſtand mit Sicher-
heit eine andre Farbenſtimmung waͤhlen laͤßt. Freylich
fordert die Anwendung unendliche Modificationen, wel-
che dem Genie allein, wenn es von dieſen Grundſaͤtzen
durchdrungen iſt, gelingen werden.


Aechter Ton.

889.

Wenn man das Wort Ton, oder vielmehr Ton-
art, auch noch kuͤnftig von der Muſik borgen und bey

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0381" n="327"/>
alle Farben neben einander im Gleichgewicht angebracht<lb/>
&#x017F;ind.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>886.</head><lb/>
              <p>Man kann hiedurch das Gla&#x0364;nzende &#x017F;owohl als das<lb/>
Angenehme hervorbringen, welche beyde jedoch immer<lb/>
etwas Allgemeines und in die&#x017F;em Sinne etwas Charak-<lb/>
terlo&#x017F;es haben werden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>887.</head><lb/>
              <p>Hierin liegt die Ur&#x017F;ache, warum das Colorit der<lb/>
mei&#x017F;ten Neuern charakterlos i&#x017F;t; denn indem &#x017F;ie nur<lb/>
ihrem In&#x017F;tinct folgen, &#x017F;o bleibt das Letzte, wohin er &#x017F;ie<lb/>
fu&#x0364;hren kann, die Totalita&#x0364;t, die &#x017F;ie mehr oder weni-<lb/>
ger erreichen, dadurch aber zugleich den Charakter ver-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umen, den das Bild allenfalls haben ko&#x0364;nnte.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>888.</head><lb/>
              <p>Hat man hingegen jene Grund&#x017F;a&#x0364;tze im Auge, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ieht man, wie &#x017F;ich fu&#x0364;r jeden Gegen&#x017F;tand mit Sicher-<lb/>
heit eine andre Farben&#x017F;timmung wa&#x0364;hlen la&#x0364;ßt. Freylich<lb/>
fordert die Anwendung unendliche Modificationen, wel-<lb/>
che dem Genie allein, wenn es von die&#x017F;en Grund&#x017F;a&#x0364;tzen<lb/>
durchdrungen i&#x017F;t, gelingen werden.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Aechter Ton</hi>.</hi> </head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>889.</head><lb/>
              <p>Wenn man das Wort Ton, oder vielmehr Ton-<lb/>
art, auch noch ku&#x0364;nftig von der Mu&#x017F;ik borgen und bey<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0381] alle Farben neben einander im Gleichgewicht angebracht ſind. 886. Man kann hiedurch das Glaͤnzende ſowohl als das Angenehme hervorbringen, welche beyde jedoch immer etwas Allgemeines und in dieſem Sinne etwas Charak- terloſes haben werden. 887. Hierin liegt die Urſache, warum das Colorit der meiſten Neuern charakterlos iſt; denn indem ſie nur ihrem Inſtinct folgen, ſo bleibt das Letzte, wohin er ſie fuͤhren kann, die Totalitaͤt, die ſie mehr oder weni- ger erreichen, dadurch aber zugleich den Charakter ver- ſaͤumen, den das Bild allenfalls haben koͤnnte. 888. Hat man hingegen jene Grundſaͤtze im Auge, ſo ſieht man, wie ſich fuͤr jeden Gegenſtand mit Sicher- heit eine andre Farbenſtimmung waͤhlen laͤßt. Freylich fordert die Anwendung unendliche Modificationen, wel- che dem Genie allein, wenn es von dieſen Grundſaͤtzen durchdrungen iſt, gelingen werden. Aechter Ton. 889. Wenn man das Wort Ton, oder vielmehr Ton- art, auch noch kuͤnftig von der Muſik borgen und bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/381
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/381>, abgerufen am 25.04.2024.