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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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897.

Wenn man dagegen schwache, obgleich widrige
Farben neben einander setzt, so ist freylich der Effect
nicht auffallend. Man trägt seine Unsicherheit auf den
Zuschauer hinüber, der denn an seiner Seite weder lo-
ben noch tadeln kann.

898.

Auch ist es eine wichtige Betrachtung, daß man
zwar die Farben unter sich in einem Bilde richtig auf-
stellen könne, daß aber doch ein Bild bunt werden
müsse, wenn man die Farben in Bezug auf Licht und
Schatten falsch anwendet.

899.

Es kann dieser Fall um so leichter eintreten, als
Licht und Schatten schon durch die Zeichnung gegeben
und in derselben gleichsam enthalten ist, dahingegen die
Farbe der Wahl und Willkühr noch unterworfen
bleibt.


Furcht vor dem Theoretischen.

900.

Man fand bisher bey den Malern eine Furcht,
ja eine entschiedene Abneigung gegen alle theoretische
Betrachtungen über die Farbe und was zu ihr gehört;

897.

Wenn man dagegen ſchwache, obgleich widrige
Farben neben einander ſetzt, ſo iſt freylich der Effect
nicht auffallend. Man traͤgt ſeine Unſicherheit auf den
Zuſchauer hinuͤber, der denn an ſeiner Seite weder lo-
ben noch tadeln kann.

898.

Auch iſt es eine wichtige Betrachtung, daß man
zwar die Farben unter ſich in einem Bilde richtig auf-
ſtellen koͤnne, daß aber doch ein Bild bunt werden
muͤſſe, wenn man die Farben in Bezug auf Licht und
Schatten falſch anwendet.

899.

Es kann dieſer Fall um ſo leichter eintreten, als
Licht und Schatten ſchon durch die Zeichnung gegeben
und in derſelben gleichſam enthalten iſt, dahingegen die
Farbe der Wahl und Willkuͤhr noch unterworfen
bleibt.


Furcht vor dem Theoretiſchen.

900.

Man fand bisher bey den Malern eine Furcht,
ja eine entſchiedene Abneigung gegen alle theoretiſche
Betrachtungen uͤber die Farbe und was zu ihr gehoͤrt;

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[330/0384] 897. Wenn man dagegen ſchwache, obgleich widrige Farben neben einander ſetzt, ſo iſt freylich der Effect nicht auffallend. Man traͤgt ſeine Unſicherheit auf den Zuſchauer hinuͤber, der denn an ſeiner Seite weder lo- ben noch tadeln kann. 898. Auch iſt es eine wichtige Betrachtung, daß man zwar die Farben unter ſich in einem Bilde richtig auf- ſtellen koͤnne, daß aber doch ein Bild bunt werden muͤſſe, wenn man die Farben in Bezug auf Licht und Schatten falſch anwendet. 899. Es kann dieſer Fall um ſo leichter eintreten, als Licht und Schatten ſchon durch die Zeichnung gegeben und in derſelben gleichſam enthalten iſt, dahingegen die Farbe der Wahl und Willkuͤhr noch unterworfen bleibt. Furcht vor dem Theoretiſchen. 900. Man fand bisher bey den Malern eine Furcht, ja eine entſchiedene Abneigung gegen alle theoretiſche Betrachtungen uͤber die Farbe und was zu ihr gehoͤrt;

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/384>, abgerufen am 28.03.2024.