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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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aber die Steigerung ins Rothe genugsam betrach-
tet haben, wodurch das Entgegengesetzte sich ge-
gen einander neigt, und sich in einem Dritten verei-
nigt; dann wird gewiß eine besondere geheimnißvolle
Anschauung eintreten, daß man diesen beyden getrenn-
ten, einander entgegengesetzten Wesen eine geistige
Bedeutung unterlegen könne, und man wird sich
kaum enthalten, wenn man sie unterwärts das Grün,
und oberwärts das Roth hervorbringen sieht, dort an
die irdischen, hier an die himmlischen Ausgeburten
der Elohim zu gedenken.

920.

Doch wir thun besser, uns nicht noch zum Schlusse
dem Verdacht der Schwärmerey auszusetzen, um so
mehr als es, wenn unsre Farbenlehre Gunst gewinnt,
an allegorischen symbolischen und mystischen Anwen-
dungen und Deutungen, dem Geiste der Zeit gemäß,
gewiß nicht fehlen wird.


aber die Steigerung ins Rothe genugſam betrach-
tet haben, wodurch das Entgegengeſetzte ſich ge-
gen einander neigt, und ſich in einem Dritten verei-
nigt; dann wird gewiß eine beſondere geheimnißvolle
Anſchauung eintreten, daß man dieſen beyden getrenn-
ten, einander entgegengeſetzten Weſen eine geiſtige
Bedeutung unterlegen koͤnne, und man wird ſich
kaum enthalten, wenn man ſie unterwaͤrts das Gruͤn,
und oberwaͤrts das Roth hervorbringen ſieht, dort an
die irdiſchen, hier an die himmliſchen Ausgeburten
der Elohim zu gedenken.

920.

Doch wir thun beſſer, uns nicht noch zum Schluſſe
dem Verdacht der Schwaͤrmerey auszuſetzen, um ſo
mehr als es, wenn unſre Farbenlehre Gunſt gewinnt,
an allegoriſchen ſymboliſchen und myſtiſchen Anwen-
dungen und Deutungen, dem Geiſte der Zeit gemaͤß,
gewiß nicht fehlen wird.


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[338/0392] aber die Steigerung ins Rothe genugſam betrach- tet haben, wodurch das Entgegengeſetzte ſich ge- gen einander neigt, und ſich in einem Dritten verei- nigt; dann wird gewiß eine beſondere geheimnißvolle Anſchauung eintreten, daß man dieſen beyden getrenn- ten, einander entgegengeſetzten Weſen eine geiſtige Bedeutung unterlegen koͤnne, und man wird ſich kaum enthalten, wenn man ſie unterwaͤrts das Gruͤn, und oberwaͤrts das Roth hervorbringen ſieht, dort an die irdiſchen, hier an die himmliſchen Ausgeburten der Elohim zu gedenken. 920. Doch wir thun beſſer, uns nicht noch zum Schluſſe dem Verdacht der Schwaͤrmerey auszuſetzen, um ſo mehr als es, wenn unſre Farbenlehre Gunſt gewinnt, an allegoriſchen ſymboliſchen und myſtiſchen Anwen- dungen und Deutungen, dem Geiſte der Zeit gemaͤß, gewiß nicht fehlen wird.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/392>, abgerufen am 20.04.2024.