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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Schlußwort.

Indem ich diese Arbeit, welche mich lange genug
beschäftigt, doch zuletzt nur als Entwurf gleichsam aus
dem Stegreife herauszugeben im Falle bin, und nun
die vorstehenden gedruckten Bogen durchblättere, so er-
innere ich mich des Wunsches, den ein sorgfältiger
Schriftsteller vormals geäußert, daß er seine Werke lie-
ber zuerst ins Concept gedruckt sähe, um alsdann aufs
neue mit frischem Blick an das Geschäft zu gehen, weil
alles Mangelhafte uns im Drucke deutlicher entgegen
komme, als selbst in der saubersten Handschrift.

Um wie lebhafter mußte bey mir dieser Wunsch ent-
stehen, da ich nicht einmal eine völlig reinliche Abschrift
vor dem Druck durchgehen konnte, da die successive
Redaction dieser Blätter in eine Zeit fiel, welche eine ru-
hige Sammlung des Gemüths unmöglich machte.

Wie vieles hätte ich daher meinen Lesern zu sagen,
wovon sich doch manches schon in der Einleitung findet.
Ferner wird man mir vergönnen, in der Geschichte der
Farbenlehre auch meiner Bemühungen und der Schicksale
zu gedenken, welche sie erduldeten.

Hier aber stehe wenigstens eine Betrachtung vielleicht
nicht am unrechten Orte, die Beantwortung der Frage,
was kann derjenige, der nicht im Fall ist, sein ganzes
Leben den Wissenschaften zu widmen, doch für die Wis-
senschaften leisten und wirken? was kann er als Gast in

Schlußwort.

Indem ich dieſe Arbeit, welche mich lange genug
beſchaͤftigt, doch zuletzt nur als Entwurf gleichſam aus
dem Stegreife herauszugeben im Falle bin, und nun
die vorſtehenden gedruckten Bogen durchblaͤttere, ſo er-
innere ich mich des Wunſches, den ein ſorgfaͤltiger
Schriftſteller vormals geaͤußert, daß er ſeine Werke lie-
ber zuerſt ins Concept gedruckt ſaͤhe, um alsdann aufs
neue mit friſchem Blick an das Geſchaͤft zu gehen, weil
alles Mangelhafte uns im Drucke deutlicher entgegen
komme, als ſelbſt in der ſauberſten Handſchrift.

Um wie lebhafter mußte bey mir dieſer Wunſch ent-
ſtehen, da ich nicht einmal eine voͤllig reinliche Abſchrift
vor dem Druck durchgehen konnte, da die ſucceſſive
Redaction dieſer Blaͤtter in eine Zeit fiel, welche eine ru-
hige Sammlung des Gemuͤths unmoͤglich machte.

Wie vieles haͤtte ich daher meinen Leſern zu ſagen,
wovon ſich doch manches ſchon in der Einleitung findet.
Ferner wird man mir vergoͤnnen, in der Geſchichte der
Farbenlehre auch meiner Bemuͤhungen und der Schickſale
zu gedenken, welche ſie erduldeten.

Hier aber ſtehe wenigſtens eine Betrachtung vielleicht
nicht am unrechten Orte, die Beantwortung der Frage,
was kann derjenige, der nicht im Fall iſt, ſein ganzes
Leben den Wiſſenſchaften zu widmen, doch fuͤr die Wiſ-
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[350/0404] Schlußwort. Indem ich dieſe Arbeit, welche mich lange genug beſchaͤftigt, doch zuletzt nur als Entwurf gleichſam aus dem Stegreife herauszugeben im Falle bin, und nun die vorſtehenden gedruckten Bogen durchblaͤttere, ſo er- innere ich mich des Wunſches, den ein ſorgfaͤltiger Schriftſteller vormals geaͤußert, daß er ſeine Werke lie- ber zuerſt ins Concept gedruckt ſaͤhe, um alsdann aufs neue mit friſchem Blick an das Geſchaͤft zu gehen, weil alles Mangelhafte uns im Drucke deutlicher entgegen komme, als ſelbſt in der ſauberſten Handſchrift. Um wie lebhafter mußte bey mir dieſer Wunſch ent- ſtehen, da ich nicht einmal eine voͤllig reinliche Abſchrift vor dem Druck durchgehen konnte, da die ſucceſſive Redaction dieſer Blaͤtter in eine Zeit fiel, welche eine ru- hige Sammlung des Gemuͤths unmoͤglich machte. Wie vieles haͤtte ich daher meinen Leſern zu ſagen, wovon ſich doch manches ſchon in der Einleitung findet. Ferner wird man mir vergoͤnnen, in der Geſchichte der Farbenlehre auch meiner Bemuͤhungen und der Schickſale zu gedenken, welche ſie erduldeten. Hier aber ſtehe wenigſtens eine Betrachtung vielleicht nicht am unrechten Orte, die Beantwortung der Frage, was kann derjenige, der nicht im Fall iſt, ſein ganzes Leben den Wiſſenſchaften zu widmen, doch fuͤr die Wiſ- ſenſchaften leiſten und wirken? was kann er als Gaſt in

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/404>, abgerufen am 16.04.2024.