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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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21.

Also, um nur des Refractionsfalles, mit dem
sich Newton in der Optik vorzüglich beschäftigt,
hier zu gedenken, so ist es keinesweges die Bre-
chung, welche die Farben aus dem Licht hervorlockt,
vielmehr bleibt eine zweyte Bedingung unerläßlich,
daß die Brechung auf ein Bild wirke, und solches
von der Stelle wegrücke. Ein Bild entsteht nur
durch Gränzen, diese Gränzen übersieht Newton
ganz, ja er läugnet ihren Einfluß. Wir aber schrei-
ben dem Bilde sowohl als seiner Umgebung, der
hellen Mitte sowohl als der dunkeln Gränze, der
Thätigkeit sowohl als der Schranke, in diesem Falle
vollkommen gleiche Wirkung zu. Alle Versuche
stimmen uns bey, und jemehr wir sie vermannigfal-
tigen, desto mehr wird ausgesprochen, was wir be-
haupten, desto planer, desto klarer wird die Sache.
Wir gehen vom Einfachen aus, indem wir einen sich
wechselseitig entsprechenden Gegensatz zugestehen, und
durch Verbindung desselben die farbige Welt her-
vorbringen.

22.

Newton scheint vom Einfacheren auszugehen,
indem er sich bloß ans Licht halten will; allein er

21.

Alſo, um nur des Refractionsfalles, mit dem
ſich Newton in der Optik vorzuͤglich beſchaͤftigt,
hier zu gedenken, ſo iſt es keinesweges die Bre-
chung, welche die Farben aus dem Licht hervorlockt,
vielmehr bleibt eine zweyte Bedingung unerlaͤßlich,
daß die Brechung auf ein Bild wirke, und ſolches
von der Stelle wegruͤcke. Ein Bild entſteht nur
durch Graͤnzen, dieſe Graͤnzen uͤberſieht Newton
ganz, ja er laͤugnet ihren Einfluß. Wir aber ſchrei-
ben dem Bilde ſowohl als ſeiner Umgebung, der
hellen Mitte ſowohl als der dunkeln Graͤnze, der
Thaͤtigkeit ſowohl als der Schranke, in dieſem Falle
vollkommen gleiche Wirkung zu. Alle Verſuche
ſtimmen uns bey, und jemehr wir ſie vermannigfal-
tigen, deſto mehr wird ausgeſprochen, was wir be-
haupten, deſto planer, deſto klarer wird die Sache.
Wir gehen vom Einfachen aus, indem wir einen ſich
wechſelſeitig entſprechenden Gegenſatz zugeſtehen, und
durch Verbindung deſſelben die farbige Welt her-
vorbringen.

22.

Newton ſcheint vom Einfacheren auszugehen,
indem er ſich bloß ans Licht halten will; allein er

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[367/0421] 21. Alſo, um nur des Refractionsfalles, mit dem ſich Newton in der Optik vorzuͤglich beſchaͤftigt, hier zu gedenken, ſo iſt es keinesweges die Bre- chung, welche die Farben aus dem Licht hervorlockt, vielmehr bleibt eine zweyte Bedingung unerlaͤßlich, daß die Brechung auf ein Bild wirke, und ſolches von der Stelle wegruͤcke. Ein Bild entſteht nur durch Graͤnzen, dieſe Graͤnzen uͤberſieht Newton ganz, ja er laͤugnet ihren Einfluß. Wir aber ſchrei- ben dem Bilde ſowohl als ſeiner Umgebung, der hellen Mitte ſowohl als der dunkeln Graͤnze, der Thaͤtigkeit ſowohl als der Schranke, in dieſem Falle vollkommen gleiche Wirkung zu. Alle Verſuche ſtimmen uns bey, und jemehr wir ſie vermannigfal- tigen, deſto mehr wird ausgeſprochen, was wir be- haupten, deſto planer, deſto klarer wird die Sache. Wir gehen vom Einfachen aus, indem wir einen ſich wechſelſeitig entſprechenden Gegenſatz zugeſtehen, und durch Verbindung deſſelben die farbige Welt her- vorbringen. 22. Newton ſcheint vom Einfacheren auszugehen, indem er ſich bloß ans Licht halten will; allein er

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/421>, abgerufen am 25.04.2024.