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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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37.

Im Englischen steht anstatt rechtwinklicht paral-
lel
, welches offenbar ein Druckfehler ist. Denn die
langen Seiten des farbigen Papiers und die Durch-
schnittslinie können nicht zugleich parallel mit dem Ho-
rizont seyn. Im Lateinischen steht perpendicular,
welches an sich ganz richtig ist; da aber nicht von einem
Grundrisse, sondern einem räumlichen Verhältnisse die
Rede ist, so versteht man leicht vertical darunter: wo-
durch der Versuch in Confusion geriethe. Denn das far-
bige Papier muß flach liegen, und die kurzen Seiten
müssen, wie wir angeben, mit dem Horizont, oder
wenn man will, mit der Fensterbank, einen rechten
Winkel machen.

38.

Und das Licht, das von dem Fenster auf das Papier fiel,
einen Winkel mit dem Papier machte, demjenigen gleich, in
welchem das Papier das Licht nach dem Auge zurückwarf.

39.

Wie kann man sagen, daß das allgemeine Tages-
licht, denn hier scheint nicht vom Sonnenlichte die Re-
de zu seyn, einen Winkel mit dem Papier mache, da
es von allen Enden hier darauf fällt? Auch ist die
Bedingung ganz unnöthig; denn man könnte die Vor-
richtung eben so gut an der Seite des Fensters
machen.

37.

Im Engliſchen ſteht anſtatt rechtwinklicht paral-
lel
, welches offenbar ein Druckfehler iſt. Denn die
langen Seiten des farbigen Papiers und die Durch-
ſchnittslinie koͤnnen nicht zugleich parallel mit dem Ho-
rizont ſeyn. Im Lateiniſchen ſteht perpendicular,
welches an ſich ganz richtig iſt; da aber nicht von einem
Grundriſſe, ſondern einem raͤumlichen Verhaͤltniſſe die
Rede iſt, ſo verſteht man leicht vertical darunter: wo-
durch der Verſuch in Confuſion geriethe. Denn das far-
bige Papier muß flach liegen, und die kurzen Seiten
muͤſſen, wie wir angeben, mit dem Horizont, oder
wenn man will, mit der Fenſterbank, einen rechten
Winkel machen.

38.

Und das Licht, das von dem Fenſter auf das Papier fiel,
einen Winkel mit dem Papier machte, demjenigen gleich, in
welchem das Papier das Licht nach dem Auge zuruͤckwarf.

39.

Wie kann man ſagen, daß das allgemeine Tages-
licht, denn hier ſcheint nicht vom Sonnenlichte die Re-
de zu ſeyn, einen Winkel mit dem Papier mache, da
es von allen Enden hier darauf faͤllt? Auch iſt die
Bedingung ganz unnoͤthig; denn man koͤnnte die Vor-
richtung eben ſo gut an der Seite des Fenſters
machen.

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[378/0432] 37. Im Engliſchen ſteht anſtatt rechtwinklicht paral- lel, welches offenbar ein Druckfehler iſt. Denn die langen Seiten des farbigen Papiers und die Durch- ſchnittslinie koͤnnen nicht zugleich parallel mit dem Ho- rizont ſeyn. Im Lateiniſchen ſteht perpendicular, welches an ſich ganz richtig iſt; da aber nicht von einem Grundriſſe, ſondern einem raͤumlichen Verhaͤltniſſe die Rede iſt, ſo verſteht man leicht vertical darunter: wo- durch der Verſuch in Confuſion geriethe. Denn das far- bige Papier muß flach liegen, und die kurzen Seiten muͤſſen, wie wir angeben, mit dem Horizont, oder wenn man will, mit der Fenſterbank, einen rechten Winkel machen. 38. Und das Licht, das von dem Fenſter auf das Papier fiel, einen Winkel mit dem Papier machte, demjenigen gleich, in welchem das Papier das Licht nach dem Auge zuruͤckwarf. 39. Wie kann man ſagen, daß das allgemeine Tages- licht, denn hier ſcheint nicht vom Sonnenlichte die Re- de zu ſeyn, einen Winkel mit dem Papier mache, da es von allen Enden hier darauf faͤllt? Auch iſt die Bedingung ganz unnoͤthig; denn man koͤnnte die Vor- richtung eben ſo gut an der Seite des Fenſters machen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/432>, abgerufen am 29.03.2024.