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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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linken Hand zu stehen kam. Genau vor das Papier, unten
wo die beyden Farben zusammentrafen, stellte ich ein Licht,
um das Papier stark zu beleuchten, denn das Experiment war
bey Nacht angestellt.

50.

Die Flamme der Kerze reichte bis zum untern Rande des
Papiers, oder um ein weniges höher. Dann, in der Entfer-
nung von sechs Fuß und ein oder zwey Zoll von dem Papier
an der Wand, richtete ich eine Glaslinse auf, welche vier und
einen Viertelzoll breit war, welche die Strahlen, die von den
verschiedenen Puncten des Papiers herkämen, auffassen und,
in der Entfernung von sechs Fuß, ein oder zwey Zoll auf der
andern Seite der Linse, in so viel andern Puncten zusammen-
bringen, und das Bild des farbigen Papiers auf einem wei-
ßen Papier, das dorthin gestellt war, abbilden sollte, auf die
Art, wie die Linse in einer Ladenöffnung die Bilder der Ob-
jecte raußen auf einen weißen Bogen Papier in der dunkeln
Cammer werfen mag.

51.

Das vorgedachte weiße Papier stand vertical zu dem Ho-
rizont und parallel mit der Linse. Ich bewegte dasselbe
manchmal gegen die Linse, manchmal von ihr weg, um die
Plätze zu finden, wo die Bilder der blauen und rothen Theile
des Papiers am deutlichsten erscheinen würden. Diese Plätze
konnte ich leicht erkennen an den Bildern der schwarzen Linien,
die ich hervorgebracht hatte, indem ich die Seide um das Pa-
pier wand. Denn die Bilder dieser feinen und zarten Linien,
die sich wegen ihrer Schwärze wie ein Schatten auf der
Farbe absetzten, waren dunkel und kaum sichtbar, außer wenn
die Farbe an jeder Seite einer jeden Linie ganz deutlich be-
gränzt war. Deßwegen bezeichnete ich so genau als möglich
die Plätze, wo die Bilder der blauen und rothen Hälfte des

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linken Hand zu ſtehen kam. Genau vor das Papier, unten
wo die beyden Farben zuſammentrafen, ſtellte ich ein Licht,
um das Papier ſtark zu beleuchten, denn das Experiment war
bey Nacht angeſtellt.

50.

Die Flamme der Kerze reichte bis zum untern Rande des
Papiers, oder um ein weniges hoͤher. Dann, in der Entfer-
nung von ſechs Fuß und ein oder zwey Zoll von dem Papier
an der Wand, richtete ich eine Glaslinſe auf, welche vier und
einen Viertelzoll breit war, welche die Strahlen, die von den
verſchiedenen Puncten des Papiers herkaͤmen, auffaſſen und,
in der Entfernung von ſechs Fuß, ein oder zwey Zoll auf der
andern Seite der Linſe, in ſo viel andern Puncten zuſammen-
bringen, und das Bild des farbigen Papiers auf einem wei-
ßen Papier, das dorthin geſtellt war, abbilden ſollte, auf die
Art, wie die Linſe in einer Ladenoͤffnung die Bilder der Ob-
jecte raußen auf einen weißen Bogen Papier in der dunkeln
Cammer werfen mag.

51.

Das vorgedachte weiße Papier ſtand vertical zu dem Ho-
rizont und parallel mit der Linſe. Ich bewegte daſſelbe
manchmal gegen die Linſe, manchmal von ihr weg, um die
Plaͤtze zu finden, wo die Bilder der blauen und rothen Theile
des Papiers am deutlichſten erſcheinen wuͤrden. Dieſe Plaͤtze
konnte ich leicht erkennen an den Bildern der ſchwarzen Linien,
die ich hervorgebracht hatte, indem ich die Seide um das Pa-
pier wand. Denn die Bilder dieſer feinen und zarten Linien,
die ſich wegen ihrer Schwaͤrze wie ein Schatten auf der
Farbe abſetzten, waren dunkel und kaum ſichtbar, außer wenn
die Farbe an jeder Seite einer jeden Linie ganz deutlich be-
graͤnzt war. Deßwegen bezeichnete ich ſo genau als moͤglich
die Plaͤtze, wo die Bilder der blauen und rothen Haͤlfte des

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[385/0439] linken Hand zu ſtehen kam. Genau vor das Papier, unten wo die beyden Farben zuſammentrafen, ſtellte ich ein Licht, um das Papier ſtark zu beleuchten, denn das Experiment war bey Nacht angeſtellt. 50. Die Flamme der Kerze reichte bis zum untern Rande des Papiers, oder um ein weniges hoͤher. Dann, in der Entfer- nung von ſechs Fuß und ein oder zwey Zoll von dem Papier an der Wand, richtete ich eine Glaslinſe auf, welche vier und einen Viertelzoll breit war, welche die Strahlen, die von den verſchiedenen Puncten des Papiers herkaͤmen, auffaſſen und, in der Entfernung von ſechs Fuß, ein oder zwey Zoll auf der andern Seite der Linſe, in ſo viel andern Puncten zuſammen- bringen, und das Bild des farbigen Papiers auf einem wei- ßen Papier, das dorthin geſtellt war, abbilden ſollte, auf die Art, wie die Linſe in einer Ladenoͤffnung die Bilder der Ob- jecte raußen auf einen weißen Bogen Papier in der dunkeln Cammer werfen mag. 51. Das vorgedachte weiße Papier ſtand vertical zu dem Ho- rizont und parallel mit der Linſe. Ich bewegte daſſelbe manchmal gegen die Linſe, manchmal von ihr weg, um die Plaͤtze zu finden, wo die Bilder der blauen und rothen Theile des Papiers am deutlichſten erſcheinen wuͤrden. Dieſe Plaͤtze konnte ich leicht erkennen an den Bildern der ſchwarzen Linien, die ich hervorgebracht hatte, indem ich die Seide um das Pa- pier wand. Denn die Bilder dieſer feinen und zarten Linien, die ſich wegen ihrer Schwaͤrze wie ein Schatten auf der Farbe abſetzten, waren dunkel und kaum ſichtbar, außer wenn die Farbe an jeder Seite einer jeden Linie ganz deutlich be- graͤnzt war. Deßwegen bezeichnete ich ſo genau als moͤglich die Plaͤtze, wo die Bilder der blauen und rothen Haͤlfte des I. 25

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/439>, abgerufen am 25.04.2024.