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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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farbigen Papiers am deutlichsten erschienen. Ich fand, daß
wo die rothe Hälfte ganz deutlich war, die blaue Hälfte ver-
worren erschien, so daß ich die darauf gezogenen schwarzen
Linien kaum sehen konnte; im Gegentheil, wo man die blaue
Hälfte deutlich unterscheiden konnte, erschien die rothe verwor-
ren, so daß die schwarzen Linien darauf kaum sichtbar waren.
Zwischen den beiden Orten aber, wo diese Bilder sich deutlich
zeigten, war die Entfernung ein und ein halber Zoll. Denn
die Entfernung des weißen Papiers von der Linse, wenn das
Bild der rothen Hälfte sehr deutlich erschien, war um einen
und einen halben Zoll größer, als die Entfernung des weißen
Papiers von der Linse, wenn das Bild der blauen Hälfte sehr
deutlich war. Daraus folgern wir, daß indem das Blaue
und Rothe gleichmäßig auf die Linse fiel, doch das Blaue
mehr durch die Linse gebrochen wurde, als das Rothe, so daß
es um anderthalb Zoll früher convergirte, und daß es deßwe-
gen refrangibler seyn müsse.

52.

Nachdem wir den Verfasser angehört, seine Vor-
richtung wohl kennen gelernt, und das, was er da-
durch zu bewirken glaubt, vernommen haben, so wollen
wir unsre Bemerkungen zu diesem Versuche unter ver-
schiedenen Rubriken vorbringen, und denselben in seine
Elemente zu zerlegen suchen, worin der Hauptvortheil
aller Controvers mit Newton bestehen muß.

53.

Unsre Betrachtungen beziehen sich also 1) auf das
Vorbild, 2) auf die Beleuchtung, 3) auf die Linse,
4) auf das gewirkte Abbild und 5) auf die aus den
Erscheinungen gezogene Folgerung.

farbigen Papiers am deutlichſten erſchienen. Ich fand, daß
wo die rothe Haͤlfte ganz deutlich war, die blaue Haͤlfte ver-
worren erſchien, ſo daß ich die darauf gezogenen ſchwarzen
Linien kaum ſehen konnte; im Gegentheil, wo man die blaue
Haͤlfte deutlich unterſcheiden konnte, erſchien die rothe verwor-
ren, ſo daß die ſchwarzen Linien darauf kaum ſichtbar waren.
Zwiſchen den beiden Orten aber, wo dieſe Bilder ſich deutlich
zeigten, war die Entfernung ein und ein halber Zoll. Denn
die Entfernung des weißen Papiers von der Linſe, wenn das
Bild der rothen Haͤlfte ſehr deutlich erſchien, war um einen
und einen halben Zoll groͤßer, als die Entfernung des weißen
Papiers von der Linſe, wenn das Bild der blauen Haͤlfte ſehr
deutlich war. Daraus folgern wir, daß indem das Blaue
und Rothe gleichmaͤßig auf die Linſe fiel, doch das Blaue
mehr durch die Linſe gebrochen wurde, als das Rothe, ſo daß
es um anderthalb Zoll fruͤher convergirte, und daß es deßwe-
gen refrangibler ſeyn muͤſſe.

52.

Nachdem wir den Verfaſſer angehoͤrt, ſeine Vor-
richtung wohl kennen gelernt, und das, was er da-
durch zu bewirken glaubt, vernommen haben, ſo wollen
wir unſre Bemerkungen zu dieſem Verſuche unter ver-
ſchiedenen Rubriken vorbringen, und denſelben in ſeine
Elemente zu zerlegen ſuchen, worin der Hauptvortheil
aller Controvers mit Newton beſtehen muß.

53.

Unſre Betrachtungen beziehen ſich alſo 1) auf das
Vorbild, 2) auf die Beleuchtung, 3) auf die Linſe,
4) auf das gewirkte Abbild und 5) auf die aus den
Erſcheinungen gezogene Folgerung.

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[386/0440] farbigen Papiers am deutlichſten erſchienen. Ich fand, daß wo die rothe Haͤlfte ganz deutlich war, die blaue Haͤlfte ver- worren erſchien, ſo daß ich die darauf gezogenen ſchwarzen Linien kaum ſehen konnte; im Gegentheil, wo man die blaue Haͤlfte deutlich unterſcheiden konnte, erſchien die rothe verwor- ren, ſo daß die ſchwarzen Linien darauf kaum ſichtbar waren. Zwiſchen den beiden Orten aber, wo dieſe Bilder ſich deutlich zeigten, war die Entfernung ein und ein halber Zoll. Denn die Entfernung des weißen Papiers von der Linſe, wenn das Bild der rothen Haͤlfte ſehr deutlich erſchien, war um einen und einen halben Zoll groͤßer, als die Entfernung des weißen Papiers von der Linſe, wenn das Bild der blauen Haͤlfte ſehr deutlich war. Daraus folgern wir, daß indem das Blaue und Rothe gleichmaͤßig auf die Linſe fiel, doch das Blaue mehr durch die Linſe gebrochen wurde, als das Rothe, ſo daß es um anderthalb Zoll fruͤher convergirte, und daß es deßwe- gen refrangibler ſeyn muͤſſe. 52. Nachdem wir den Verfaſſer angehoͤrt, ſeine Vor- richtung wohl kennen gelernt, und das, was er da- durch zu bewirken glaubt, vernommen haben, ſo wollen wir unſre Bemerkungen zu dieſem Verſuche unter ver- ſchiedenen Rubriken vorbringen, und denſelben in ſeine Elemente zu zerlegen ſuchen, worin der Hauptvortheil aller Controvers mit Newton beſtehen muß. 53. Unſre Betrachtungen beziehen ſich alſo 1) auf das Vorbild, 2) auf die Beleuchtung, 3) auf die Linſe, 4) auf das gewirkte Abbild und 5) auf die aus den Erſcheinungen gezogene Folgerung.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/440>, abgerufen am 28.03.2024.