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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Er giebt Bedingungen an, aber nicht die Ursache der-
selben. Warum ist denn hier auf einmal die Oeffnung
im Fensterladen groß? und wahrscheinlich das Prisma
auch groß, ob er es gleich nicht meldet. Die Größe
der Oeffnung bewirkt ein großes Bild, und ein großes
Bild fällt, auch nach der Refraction, mit weißer Mitte
auf eine nah hinter das Prisma gestellte Tafel. Hier
ist also die weiße Mitte, die er am Schluß des vori-
gen Versuches (112.) heimlich hereingebracht. In die-
ser weißen Mitte operirt er; aber warum gesteht er
denn nicht, daß sie weiß ist? warum läßt er diesen
wichtigen Umstand errathen? Doch wohl darum, weil
seine ganze Lehre zusammenfällt, sobald dieses ausge-
sprochen ist.

117.

Dann in einer Entfernung von zwölf Fuß von dem ersten
Brett befestigte ich das andre dergestalt, daß die Mitte des
gebrochenen Lichtes, welche durch die Oeffnung des ersten
Brettes hindurch fiel, nunmehr auf die Oeffnung dieses zwey-
ten Brettes gelangte, das übrige aber, welches von der Fläche
des Brettes aufgefangen wurde, das farbige Spectrum der
Sonne daselbst zeichnete.

118.

Wir haben also hier abermals eine Mitte des ge-
brochenen Lichtes und diese Mitte ist, wie man aus
dem Nachsatz deutlich sieht, grün: denn das übrige
soll ja das farbige Bild darstellen. Uns werden zwey-
erley Mitten, eine farblose und eine grüne, gegeben, in
denen und mit denen wir nach Belieben operiren, ohne

Er giebt Bedingungen an, aber nicht die Urſache der-
ſelben. Warum iſt denn hier auf einmal die Oeffnung
im Fenſterladen groß? und wahrſcheinlich das Prisma
auch groß, ob er es gleich nicht meldet. Die Groͤße
der Oeffnung bewirkt ein großes Bild, und ein großes
Bild faͤllt, auch nach der Refraction, mit weißer Mitte
auf eine nah hinter das Prisma geſtellte Tafel. Hier
iſt alſo die weiße Mitte, die er am Schluß des vori-
gen Verſuches (112.) heimlich hereingebracht. In die-
ſer weißen Mitte operirt er; aber warum geſteht er
denn nicht, daß ſie weiß iſt? warum laͤßt er dieſen
wichtigen Umſtand errathen? Doch wohl darum, weil
ſeine ganze Lehre zuſammenfaͤllt, ſobald dieſes ausge-
ſprochen iſt.

117.

Dann in einer Entfernung von zwoͤlf Fuß von dem erſten
Brett befeſtigte ich das andre dergeſtalt, daß die Mitte des
gebrochenen Lichtes, welche durch die Oeffnung des erſten
Brettes hindurch fiel, nunmehr auf die Oeffnung dieſes zwey-
ten Brettes gelangte, das uͤbrige aber, welches von der Flaͤche
des Brettes aufgefangen wurde, das farbige Spectrum der
Sonne daſelbſt zeichnete.

118.

Wir haben alſo hier abermals eine Mitte des ge-
brochenen Lichtes und dieſe Mitte iſt, wie man aus
dem Nachſatz deutlich ſieht, gruͤn: denn das uͤbrige
ſoll ja das farbige Bild darſtellen. Uns werden zwey-
erley Mitten, eine farbloſe und eine gruͤne, gegeben, in
denen und mit denen wir nach Belieben operiren, ohne

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[424/0478] Er giebt Bedingungen an, aber nicht die Urſache der- ſelben. Warum iſt denn hier auf einmal die Oeffnung im Fenſterladen groß? und wahrſcheinlich das Prisma auch groß, ob er es gleich nicht meldet. Die Groͤße der Oeffnung bewirkt ein großes Bild, und ein großes Bild faͤllt, auch nach der Refraction, mit weißer Mitte auf eine nah hinter das Prisma geſtellte Tafel. Hier iſt alſo die weiße Mitte, die er am Schluß des vori- gen Verſuches (112.) heimlich hereingebracht. In die- ſer weißen Mitte operirt er; aber warum geſteht er denn nicht, daß ſie weiß iſt? warum laͤßt er dieſen wichtigen Umſtand errathen? Doch wohl darum, weil ſeine ganze Lehre zuſammenfaͤllt, ſobald dieſes ausge- ſprochen iſt. 117. Dann in einer Entfernung von zwoͤlf Fuß von dem erſten Brett befeſtigte ich das andre dergeſtalt, daß die Mitte des gebrochenen Lichtes, welche durch die Oeffnung des erſten Brettes hindurch fiel, nunmehr auf die Oeffnung dieſes zwey- ten Brettes gelangte, das uͤbrige aber, welches von der Flaͤche des Brettes aufgefangen wurde, das farbige Spectrum der Sonne daſelbſt zeichnete. 118. Wir haben alſo hier abermals eine Mitte des ge- brochenen Lichtes und dieſe Mitte iſt, wie man aus dem Nachſatz deutlich ſieht, gruͤn: denn das uͤbrige ſoll ja das farbige Bild darſtellen. Uns werden zwey- erley Mitten, eine farbloſe und eine gruͤne, gegeben, in denen und mit denen wir nach Belieben operiren, ohne

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/478>, abgerufen am 25.04.2024.