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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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jeden einzelnen farbigen Theil des gedachten Bildes der Ord-
nung nach hindurchlassen. Inzwischen stelle man ein zweytes
Prisma a b c hinter die zweyte Oeffnung g und lasse das
durchgehende farbige Licht dadurch abermals in die Höhe ge-
brochen werden. Nachdem dieses also gethan war, bezeichnete
ich an der aufgestellten Wand die beyden Orte M und N,
wohin die verschiedenen farbigen Lichter geführt wurden, und
bemerkte, daß, wenn die beyden Tafeln und das zweyte Pris-
ma fest und unbeweglich blieben, jene beyden Stellen, indem
man das erste Prisma um seine Achse drehte, sich immerfort
veränderten. Denn wenn der untre Theil des Bildes, das sich
auf der Tafel d e zeigte, durch die Oeffnung g geführt wur-
de, so gelangte er nach einer untern Stelle der Wand M;
ließ man aber den obern Theil desselben Lichtes durch gedachte
Oeffnung g fallen, so gelangte derselbe nach einer obern Stelle
der Wand N; und wenn ein mittlerer Theil hindurch ging,
so nahm er auf der Wand gleichfalls die Mitte zwischen M
und N ein; wobey man zu bemerken hat, daß, da an der
Stellung der Oeffnungen in den Tafeln nichts verändert
wurde, der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris-
ma in allen Fällen derselbige blieb. Dem ungeachtet wurden
bey gleicher Incidenz einige Strahlen mehr gebrochen als die
andern, und die im ersten Prisma durch eine größere Refrac-
tion weiter vom Wege abgenöthigt waren, auch diese wurden
durch das zweyte Prisma abermals am meisten gebrochen. Da
das nun auf eine gewisse und beständige Weise geschah, so muß
man die einen für refrangibler als die andern ansprechen.

122.

Die Ursache, warum sich Newton bey diesem Ver-
suche zweyer durchlöcherten Bretter bedient, spricht er
selbst aus, indem er nehmlich dadurch zeigen will, daß
der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris-

jeden einzelnen farbigen Theil des gedachten Bildes der Ord-
nung nach hindurchlaſſen. Inzwiſchen ſtelle man ein zweytes
Prisma a b c hinter die zweyte Oeffnung g und laſſe das
durchgehende farbige Licht dadurch abermals in die Hoͤhe ge-
brochen werden. Nachdem dieſes alſo gethan war, bezeichnete
ich an der aufgeſtellten Wand die beyden Orte M und N,
wohin die verſchiedenen farbigen Lichter gefuͤhrt wurden, und
bemerkte, daß, wenn die beyden Tafeln und das zweyte Pris-
ma feſt und unbeweglich blieben, jene beyden Stellen, indem
man das erſte Prisma um ſeine Achſe drehte, ſich immerfort
veraͤnderten. Denn wenn der untre Theil des Bildes, das ſich
auf der Tafel d e zeigte, durch die Oeffnung g gefuͤhrt wur-
de, ſo gelangte er nach einer untern Stelle der Wand M;
ließ man aber den obern Theil deſſelben Lichtes durch gedachte
Oeffnung g fallen, ſo gelangte derſelbe nach einer obern Stelle
der Wand N; und wenn ein mittlerer Theil hindurch ging,
ſo nahm er auf der Wand gleichfalls die Mitte zwiſchen M
und N ein; wobey man zu bemerken hat, daß, da an der
Stellung der Oeffnungen in den Tafeln nichts veraͤndert
wurde, der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris-
ma in allen Faͤllen derſelbige blieb. Dem ungeachtet wurden
bey gleicher Incidenz einige Strahlen mehr gebrochen als die
andern, und die im erſten Prisma durch eine groͤßere Refrac-
tion weiter vom Wege abgenoͤthigt waren, auch dieſe wurden
durch das zweyte Prisma abermals am meiſten gebrochen. Da
das nun auf eine gewiſſe und beſtaͤndige Weiſe geſchah, ſo muß
man die einen fuͤr refrangibler als die andern anſprechen.

122.

Die Urſache, warum ſich Newton bey dieſem Ver-
ſuche zweyer durchloͤcherten Bretter bedient, ſpricht er
ſelbſt aus, indem er nehmlich dadurch zeigen will, daß
der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris-

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[427/0481] jeden einzelnen farbigen Theil des gedachten Bildes der Ord- nung nach hindurchlaſſen. Inzwiſchen ſtelle man ein zweytes Prisma a b c hinter die zweyte Oeffnung g und laſſe das durchgehende farbige Licht dadurch abermals in die Hoͤhe ge- brochen werden. Nachdem dieſes alſo gethan war, bezeichnete ich an der aufgeſtellten Wand die beyden Orte M und N, wohin die verſchiedenen farbigen Lichter gefuͤhrt wurden, und bemerkte, daß, wenn die beyden Tafeln und das zweyte Pris- ma feſt und unbeweglich blieben, jene beyden Stellen, indem man das erſte Prisma um ſeine Achſe drehte, ſich immerfort veraͤnderten. Denn wenn der untre Theil des Bildes, das ſich auf der Tafel d e zeigte, durch die Oeffnung g gefuͤhrt wur- de, ſo gelangte er nach einer untern Stelle der Wand M; ließ man aber den obern Theil deſſelben Lichtes durch gedachte Oeffnung g fallen, ſo gelangte derſelbe nach einer obern Stelle der Wand N; und wenn ein mittlerer Theil hindurch ging, ſo nahm er auf der Wand gleichfalls die Mitte zwiſchen M und N ein; wobey man zu bemerken hat, daß, da an der Stellung der Oeffnungen in den Tafeln nichts veraͤndert wurde, der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris- ma in allen Faͤllen derſelbige blieb. Dem ungeachtet wurden bey gleicher Incidenz einige Strahlen mehr gebrochen als die andern, und die im erſten Prisma durch eine groͤßere Refrac- tion weiter vom Wege abgenoͤthigt waren, auch dieſe wurden durch das zweyte Prisma abermals am meiſten gebrochen. Da das nun auf eine gewiſſe und beſtaͤndige Weiſe geſchah, ſo muß man die einen fuͤr refrangibler als die andern anſprechen. 122. Die Urſache, warum ſich Newton bey dieſem Ver- ſuche zweyer durchloͤcherten Bretter bedient, ſpricht er ſelbſt aus, indem er nehmlich dadurch zeigen will, daß der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/481>, abgerufen am 25.04.2024.