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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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gestellt wird, die eine scheinbare Mittheilung durch ap-
parente Farben erhalten haben. Der gegenwärtige Fall,
die gegenwärtige Vorrichtung ist doch von jenen him-
melweit unterschieden, und wir werden, da wir das
Phänomen nicht läugnen, es abermals auf mancherley
Weise darzustellen, aus unsern Quellen abzuleiten und
das Hohle der Newtonischen Erklärung darzuthun su-
chen.

140.

Wir können unsre erstgemeldete (135.) Vor-
richtung mit zwey Prismen nebeneinander beybehalten.
Wir lassen das rothe und violette Bildchen nebeneinan-
der auf die hintere weiße Tafel fallen, so daß sie völ-
lig horizontal stehen. Man nehme nun das horizontale
Prisma vor die Augen, den brechenden Winkel gleich-
falls unterwärts gekehrt, und betrachte jene Tafel; sie
wird auf die bekannte Weise verrückt seyn, allein zu-
gleich wird man einen bedeutenden Umstand eintreten
sehen: das rothe Bild nehmlich rückt nur in sofern von
der Stelle, als die Tafel verrückt wird; seine Stelle
auf der Tafel hingegen behält es genau. Mit dem
violetten Bilde verhält es sich nicht so; dieses verändert
seine Stelle, es zieht sich viel weiter herunter, es steht
nicht mehr mit dem rothen Bilde auf Einer horizonta-
len Linie.

141.

Sollte es den Newtonianern möglich seyn, auch
künftig noch die Farbenlehre in die dunkle Kammer ein-

geſtellt wird, die eine ſcheinbare Mittheilung durch ap-
parente Farben erhalten haben. Der gegenwaͤrtige Fall,
die gegenwaͤrtige Vorrichtung iſt doch von jenen him-
melweit unterſchieden, und wir werden, da wir das
Phaͤnomen nicht laͤugnen, es abermals auf mancherley
Weiſe darzuſtellen, aus unſern Quellen abzuleiten und
das Hohle der Newtoniſchen Erklaͤrung darzuthun ſu-
chen.

140.

Wir koͤnnen unſre erſtgemeldete (135.) Vor-
richtung mit zwey Prismen nebeneinander beybehalten.
Wir laſſen das rothe und violette Bildchen nebeneinan-
der auf die hintere weiße Tafel fallen, ſo daß ſie voͤl-
lig horizontal ſtehen. Man nehme nun das horizontale
Prisma vor die Augen, den brechenden Winkel gleich-
falls unterwaͤrts gekehrt, und betrachte jene Tafel; ſie
wird auf die bekannte Weiſe verruͤckt ſeyn, allein zu-
gleich wird man einen bedeutenden Umſtand eintreten
ſehen: das rothe Bild nehmlich ruͤckt nur in ſofern von
der Stelle, als die Tafel verruͤckt wird; ſeine Stelle
auf der Tafel hingegen behaͤlt es genau. Mit dem
violetten Bilde verhaͤlt es ſich nicht ſo; dieſes veraͤndert
ſeine Stelle, es zieht ſich viel weiter herunter, es ſteht
nicht mehr mit dem rothen Bilde auf Einer horizonta-
len Linie.

141.

Sollte es den Newtonianern moͤglich ſeyn, auch
kuͤnftig noch die Farbenlehre in die dunkle Kammer ein-

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[437/0491] geſtellt wird, die eine ſcheinbare Mittheilung durch ap- parente Farben erhalten haben. Der gegenwaͤrtige Fall, die gegenwaͤrtige Vorrichtung iſt doch von jenen him- melweit unterſchieden, und wir werden, da wir das Phaͤnomen nicht laͤugnen, es abermals auf mancherley Weiſe darzuſtellen, aus unſern Quellen abzuleiten und das Hohle der Newtoniſchen Erklaͤrung darzuthun ſu- chen. 140. Wir koͤnnen unſre erſtgemeldete (135.) Vor- richtung mit zwey Prismen nebeneinander beybehalten. Wir laſſen das rothe und violette Bildchen nebeneinan- der auf die hintere weiße Tafel fallen, ſo daß ſie voͤl- lig horizontal ſtehen. Man nehme nun das horizontale Prisma vor die Augen, den brechenden Winkel gleich- falls unterwaͤrts gekehrt, und betrachte jene Tafel; ſie wird auf die bekannte Weiſe verruͤckt ſeyn, allein zu- gleich wird man einen bedeutenden Umſtand eintreten ſehen: das rothe Bild nehmlich ruͤckt nur in ſofern von der Stelle, als die Tafel verruͤckt wird; ſeine Stelle auf der Tafel hingegen behaͤlt es genau. Mit dem violetten Bilde verhaͤlt es ſich nicht ſo; dieſes veraͤndert ſeine Stelle, es zieht ſich viel weiter herunter, es ſteht nicht mehr mit dem rothen Bilde auf Einer horizonta- len Linie. 141. Sollte es den Newtonianern moͤglich ſeyn, auch kuͤnftig noch die Farbenlehre in die dunkle Kammer ein-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/491>, abgerufen am 24.04.2024.