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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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bringen dem, der mit dieser Erscheinung nicht bekannt
ist, eine ganz besondere Confusion in das Phäno-
men.

160.

Auf das vorhergehende, vorzüglich aber auf un-
sern hundert und fünf und dreyßigsten Paragraph, be-
zieht sich ein Versuch, den wir nachbringen. Man
habe im Fensterladen, horizontal nahe neben einander,
zwey kleine runde Oeffnungen. Vor die eine schiebe
man ein blaues, vor die andere ein gelbrothes Glas,
wodurch die Sonne hereinscheint. Man hat also hier
wie dort (135) zwey verschiedenfarbige Bilder neben
einander. Nun fasse man sie mit einem Prisma auf
und werfe sie auf eine weiße Tafel. Hier werden sie
nicht ungleich in die Höhe gerückt, sondern sie bleiben
unten auf Einer Linie; aber genau besehen sind es
zwey prismatische Bilder, welche unter dem Einfluß
der verschiedenen farbigen Gläser stehen, und also in
so fern verändert sind, wie es nach der Lehre der
scheinbaren Mischung und Mittheilung nothwendig ist.

161.

Das eine durch das gelbe Glas fallende Spectrum hat
seinen obern violetten Schweif fast gänzlich eingebüßt;
der untere gelbrothe Saum hingegen erscheint mit ver-
doppelter Lebhaftigkeit; das Gelbe der Mitte erhöht
sich auch zu einem Gelbrothen und der obere blaue
Saum wird in einen grünlichen verwandelt. Dagegen
behält jenes durch das blaue Glas gehende Spectrum

I. 29

bringen dem, der mit dieſer Erſcheinung nicht bekannt
iſt, eine ganz beſondere Confuſion in das Phaͤno-
men.

160.

Auf das vorhergehende, vorzuͤglich aber auf un-
ſern hundert und fuͤnf und dreyßigſten Paragraph, be-
zieht ſich ein Verſuch, den wir nachbringen. Man
habe im Fenſterladen, horizontal nahe neben einander,
zwey kleine runde Oeffnungen. Vor die eine ſchiebe
man ein blaues, vor die andere ein gelbrothes Glas,
wodurch die Sonne hereinſcheint. Man hat alſo hier
wie dort (135) zwey verſchiedenfarbige Bilder neben
einander. Nun faſſe man ſie mit einem Prisma auf
und werfe ſie auf eine weiße Tafel. Hier werden ſie
nicht ungleich in die Hoͤhe geruͤckt, ſondern ſie bleiben
unten auf Einer Linie; aber genau beſehen ſind es
zwey prismatiſche Bilder, welche unter dem Einfluß
der verſchiedenen farbigen Glaͤſer ſtehen, und alſo in
ſo fern veraͤndert ſind, wie es nach der Lehre der
ſcheinbaren Miſchung und Mittheilung nothwendig iſt.

161.

Das eine durch das gelbe Glas fallende Spectrum hat
ſeinen obern violetten Schweif faſt gaͤnzlich eingebuͤßt;
der untere gelbrothe Saum hingegen erſcheint mit ver-
doppelter Lebhaftigkeit; das Gelbe der Mitte erhoͤht
ſich auch zu einem Gelbrothen und der obere blaue
Saum wird in einen gruͤnlichen verwandelt. Dagegen
behaͤlt jenes durch das blaue Glas gehende Spectrum

I. 29
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[449/0503] bringen dem, der mit dieſer Erſcheinung nicht bekannt iſt, eine ganz beſondere Confuſion in das Phaͤno- men. 160. Auf das vorhergehende, vorzuͤglich aber auf un- ſern hundert und fuͤnf und dreyßigſten Paragraph, be- zieht ſich ein Verſuch, den wir nachbringen. Man habe im Fenſterladen, horizontal nahe neben einander, zwey kleine runde Oeffnungen. Vor die eine ſchiebe man ein blaues, vor die andere ein gelbrothes Glas, wodurch die Sonne hereinſcheint. Man hat alſo hier wie dort (135) zwey verſchiedenfarbige Bilder neben einander. Nun faſſe man ſie mit einem Prisma auf und werfe ſie auf eine weiße Tafel. Hier werden ſie nicht ungleich in die Hoͤhe geruͤckt, ſondern ſie bleiben unten auf Einer Linie; aber genau beſehen ſind es zwey prismatiſche Bilder, welche unter dem Einfluß der verſchiedenen farbigen Glaͤſer ſtehen, und alſo in ſo fern veraͤndert ſind, wie es nach der Lehre der ſcheinbaren Miſchung und Mittheilung nothwendig iſt. 161. Das eine durch das gelbe Glas fallende Spectrum hat ſeinen obern violetten Schweif faſt gaͤnzlich eingebuͤßt; der untere gelbrothe Saum hingegen erſcheint mit ver- doppelter Lebhaftigkeit; das Gelbe der Mitte erhoͤht ſich auch zu einem Gelbrothen und der obere blaue Saum wird in einen gruͤnlichen verwandelt. Dagegen behaͤlt jenes durch das blaue Glas gehende Spectrum I. 29

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/503>, abgerufen am 29.03.2024.