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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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nen, die wir bey dieser Gelegenheit anzustellen veran-
laßt worden. Das zweyte Experiment so energisch
als möglich darzustellen, brachten wir verschiedenfar-
bige von hinten wohl erleuchtete Scheiben an die Stelle
des Vorbildes, und fanden, was voraus zu sehen war,
daß sich die durch ausgeschnittene Pappe oder sonst auf
denselben abzeichnenden dunklen Bilder auch nur nach
der verschiedenen Helle oder Dunkelheit des Grundes
mehr oder weniger auszeichneten. Dieser Versuch
führte uns auf den Gedanken, gemalte Fensterscheiben
an die Stelle des Vorbildes zu setzen, und alles fand
sich einmal wie das andremal.

184.

Hievon war der Uebergang zur Zauberlaterne ganz
natürlich, deren Erscheinungen mit dem zweyten und
achten Versuche Newtons im Wesentlichen zusammen-
treffen; überall spricht sich die Wahrheit der Natur
und unserer naturgemäßen Darstellung, so wie das
Falsche der Newtonischen verkünstelten Vorstellungsart,
energisch aus.

185.

Nicht weniger ergriffen wir die Gelegenheit in ei-
ner portativen Camera obscura an einem Festtage, bey
dem hellsten Sonnenschein, die buntgeputzten Leute auf
dem Spaziergange anzusehen. Alle nebeneinander sich
befindenden variegirten Kleider waren deutlich, sobald
die Personen in den Bildpunct oder in seine Region
kamen; alle Muster zeigten sich genau, es mochte

nen, die wir bey dieſer Gelegenheit anzuſtellen veran-
laßt worden. Das zweyte Experiment ſo energiſch
als moͤglich darzuſtellen, brachten wir verſchiedenfar-
bige von hinten wohl erleuchtete Scheiben an die Stelle
des Vorbildes, und fanden, was voraus zu ſehen war,
daß ſich die durch ausgeſchnittene Pappe oder ſonſt auf
denſelben abzeichnenden dunklen Bilder auch nur nach
der verſchiedenen Helle oder Dunkelheit des Grundes
mehr oder weniger auszeichneten. Dieſer Verſuch
fuͤhrte uns auf den Gedanken, gemalte Fenſterſcheiben
an die Stelle des Vorbildes zu ſetzen, und alles fand
ſich einmal wie das andremal.

184.

Hievon war der Uebergang zur Zauberlaterne ganz
natuͤrlich, deren Erſcheinungen mit dem zweyten und
achten Verſuche Newtons im Weſentlichen zuſammen-
treffen; uͤberall ſpricht ſich die Wahrheit der Natur
und unſerer naturgemaͤßen Darſtellung, ſo wie das
Falſche der Newtoniſchen verkuͤnſtelten Vorſtellungsart,
energiſch aus.

185.

Nicht weniger ergriffen wir die Gelegenheit in ei-
ner portativen Camera obſcura an einem Feſttage, bey
dem hellſten Sonnenſchein, die buntgeputzten Leute auf
dem Spaziergange anzuſehen. Alle nebeneinander ſich
befindenden variegirten Kleider waren deutlich, ſobald
die Perſonen in den Bildpunct oder in ſeine Region
kamen; alle Muſter zeigten ſich genau, es mochte

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[461/0515] nen, die wir bey dieſer Gelegenheit anzuſtellen veran- laßt worden. Das zweyte Experiment ſo energiſch als moͤglich darzuſtellen, brachten wir verſchiedenfar- bige von hinten wohl erleuchtete Scheiben an die Stelle des Vorbildes, und fanden, was voraus zu ſehen war, daß ſich die durch ausgeſchnittene Pappe oder ſonſt auf denſelben abzeichnenden dunklen Bilder auch nur nach der verſchiedenen Helle oder Dunkelheit des Grundes mehr oder weniger auszeichneten. Dieſer Verſuch fuͤhrte uns auf den Gedanken, gemalte Fenſterſcheiben an die Stelle des Vorbildes zu ſetzen, und alles fand ſich einmal wie das andremal. 184. Hievon war der Uebergang zur Zauberlaterne ganz natuͤrlich, deren Erſcheinungen mit dem zweyten und achten Verſuche Newtons im Weſentlichen zuſammen- treffen; uͤberall ſpricht ſich die Wahrheit der Natur und unſerer naturgemaͤßen Darſtellung, ſo wie das Falſche der Newtoniſchen verkuͤnſtelten Vorſtellungsart, energiſch aus. 185. Nicht weniger ergriffen wir die Gelegenheit in ei- ner portativen Camera obſcura an einem Feſttage, bey dem hellſten Sonnenſchein, die buntgeputzten Leute auf dem Spaziergange anzuſehen. Alle nebeneinander ſich befindenden variegirten Kleider waren deutlich, ſobald die Perſonen in den Bildpunct oder in ſeine Region kamen; alle Muſter zeigten ſich genau, es mochte

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/515>, abgerufen am 28.03.2024.