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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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man das ganze prismatische Bild in derselben Richtung
zum zweytenmal, so verlängert es sich, wobey aber
die verschiedenen Farben ihre vorigen Entfernungen
nicht behalten. Was auf diese Weise am Ganzen ge-
schieht, geschieht auch an den Theilen. Im Ganzen
ruckt das Violette viel weiter vor als das Rothe, und
eben dasselbe thut das abgesonderte Violette. Dieß ist
das Wort des Räthsels, auf dessen falsche Auflösung
man sich bisher so viel zu gute gethan hat. In dem
siebenten Versuche werden ähnliche subjective Wirkun-
gen gezeigt und von uns auf ihre wahren Elemente
zurückgeführt.

191.

Hatte sich nun der Verfasser bis dahin beschäftigt,
die farbigen Lichter aus dem Sonnenlichte herauszu-
zwingen; so war schon früher eingeleitet, daß auch
körperliche Farben eigentlich solche farbige Lichttheile
von sich schicken. Hiezu war der erste Versuch be-
stimmt, der eine scheinbare Verschiedenheit in Verru-
ckung bunter Quadrate auf dunklem Grund vors Auge
brachte. Das wahre Verhältniß haben wir umständ-
lich gezeigt, und gewiesen, daß hier nur die Wirkung
der prismatischen Ränder und Säume an den Grän-
zen der Bilder die Ursache der Erscheinung sey.

192.

Im zweyten Versuche wurden auf gedachten bun-
ten Flächen kleinere Bilder angebracht, welche, durch
eine Linse auf eine weiße Tafel geworfen, ihre Um-

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man das ganze prismatiſche Bild in derſelben Richtung
zum zweytenmal, ſo verlaͤngert es ſich, wobey aber
die verſchiedenen Farben ihre vorigen Entfernungen
nicht behalten. Was auf dieſe Weiſe am Ganzen ge-
ſchieht, geſchieht auch an den Theilen. Im Ganzen
ruckt das Violette viel weiter vor als das Rothe, und
eben daſſelbe thut das abgeſonderte Violette. Dieß iſt
das Wort des Raͤthſels, auf deſſen falſche Aufloͤſung
man ſich bisher ſo viel zu gute gethan hat. In dem
ſiebenten Verſuche werden aͤhnliche ſubjective Wirkun-
gen gezeigt und von uns auf ihre wahren Elemente
zuruͤckgefuͤhrt.

191.

Hatte ſich nun der Verfaſſer bis dahin beſchaͤftigt,
die farbigen Lichter aus dem Sonnenlichte herauszu-
zwingen; ſo war ſchon fruͤher eingeleitet, daß auch
koͤrperliche Farben eigentlich ſolche farbige Lichttheile
von ſich ſchicken. Hiezu war der erſte Verſuch be-
ſtimmt, der eine ſcheinbare Verſchiedenheit in Verru-
ckung bunter Quadrate auf dunklem Grund vors Auge
brachte. Das wahre Verhaͤltniß haben wir umſtaͤnd-
lich gezeigt, und gewieſen, daß hier nur die Wirkung
der prismatiſchen Raͤnder und Saͤume an den Graͤn-
zen der Bilder die Urſache der Erſcheinung ſey.

192.

Im zweyten Verſuche wurden auf gedachten bun-
ten Flaͤchen kleinere Bilder angebracht, welche, durch
eine Linſe auf eine weiße Tafel geworfen, ihre Um-

I. 30
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[465/0519] man das ganze prismatiſche Bild in derſelben Richtung zum zweytenmal, ſo verlaͤngert es ſich, wobey aber die verſchiedenen Farben ihre vorigen Entfernungen nicht behalten. Was auf dieſe Weiſe am Ganzen ge- ſchieht, geſchieht auch an den Theilen. Im Ganzen ruckt das Violette viel weiter vor als das Rothe, und eben daſſelbe thut das abgeſonderte Violette. Dieß iſt das Wort des Raͤthſels, auf deſſen falſche Aufloͤſung man ſich bisher ſo viel zu gute gethan hat. In dem ſiebenten Verſuche werden aͤhnliche ſubjective Wirkun- gen gezeigt und von uns auf ihre wahren Elemente zuruͤckgefuͤhrt. 191. Hatte ſich nun der Verfaſſer bis dahin beſchaͤftigt, die farbigen Lichter aus dem Sonnenlichte herauszu- zwingen; ſo war ſchon fruͤher eingeleitet, daß auch koͤrperliche Farben eigentlich ſolche farbige Lichttheile von ſich ſchicken. Hiezu war der erſte Verſuch be- ſtimmt, der eine ſcheinbare Verſchiedenheit in Verru- ckung bunter Quadrate auf dunklem Grund vors Auge brachte. Das wahre Verhaͤltniß haben wir umſtaͤnd- lich gezeigt, und gewieſen, daß hier nur die Wirkung der prismatiſchen Raͤnder und Saͤume an den Graͤn- zen der Bilder die Urſache der Erſcheinung ſey. 192. Im zweyten Verſuche wurden auf gedachten bun- ten Flaͤchen kleinere Bilder angebracht, welche, durch eine Linſe auf eine weiße Tafel geworfen, ihre Um- I. 30

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/519>, abgerufen am 29.03.2024.