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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Erste Abtheilung.
Physiologische Farben
.

1.

Diese Farben, welche wir billig oben an setzen, weil
sie dem Subject, weil sie dem Auge, theils völlig, theils
größtens zugehören, diese Farben, welche das Funda-
ment der ganzen Lehre machen und uns die chromatische
Harmonie, worüber so viel gestritten wird, offenbaren,
wurden bisher als außerwesentlich, zufällig, als Täu-
schung und Gebrechen betrachtet. Die Erscheinungen der-
selben sind von frühern Zeiten her bekannt, aber weil
man ihre Flüchtigkeit nicht haschen konnte, so verbannte
man sie in das Reich der schädlichen Gespenster und be-
zeichnete sie in diesem Sinne gar verschiedentlich.

2.

Also heißen sie colores adventicii nach Boyle, ima-
ginarii
und phantastici nach Rizetti, nach Büffon cou-
leurs accidentelles
, nach Scherfer Scheinfarben; Au-
gentäuschungen und Gesichtsbetrug nach mehreren, nach
Hamberger vitia fugitiva, nach Darwin ocular spectra.

I. 1
Erſte Abtheilung.
Phyſiologiſche Farben
.

1.

Dieſe Farben, welche wir billig oben an ſetzen, weil
ſie dem Subject, weil ſie dem Auge, theils voͤllig, theils
groͤßtens zugehoͤren, dieſe Farben, welche das Funda-
ment der ganzen Lehre machen und uns die chromatiſche
Harmonie, woruͤber ſo viel geſtritten wird, offenbaren,
wurden bisher als außerweſentlich, zufaͤllig, als Taͤu-
ſchung und Gebrechen betrachtet. Die Erſcheinungen der-
ſelben ſind von fruͤhern Zeiten her bekannt, aber weil
man ihre Fluͤchtigkeit nicht haſchen konnte, ſo verbannte
man ſie in das Reich der ſchaͤdlichen Geſpenſter und be-
zeichnete ſie in dieſem Sinne gar verſchiedentlich.

2.

Alſo heißen ſie colores adventicii nach Boyle, ima-
ginarii
und phantaſtici nach Rizetti, nach Buͤffon cou-
leurs accidentelles
, nach Scherfer Scheinfarben; Au-
gentaͤuſchungen und Geſichtsbetrug nach mehreren, nach
Hamberger vitia fugitiva, nach Darwin ocular ſpectra.

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[[1]/0055] Erſte Abtheilung. Phyſiologiſche Farben. 1. Dieſe Farben, welche wir billig oben an ſetzen, weil ſie dem Subject, weil ſie dem Auge, theils voͤllig, theils groͤßtens zugehoͤren, dieſe Farben, welche das Funda- ment der ganzen Lehre machen und uns die chromatiſche Harmonie, woruͤber ſo viel geſtritten wird, offenbaren, wurden bisher als außerweſentlich, zufaͤllig, als Taͤu- ſchung und Gebrechen betrachtet. Die Erſcheinungen der- ſelben ſind von fruͤhern Zeiten her bekannt, aber weil man ihre Fluͤchtigkeit nicht haſchen konnte, ſo verbannte man ſie in das Reich der ſchaͤdlichen Geſpenſter und be- zeichnete ſie in dieſem Sinne gar verſchiedentlich. 2. Alſo heißen ſie colores adventicii nach Boyle, ima- ginarii und phantaſtici nach Rizetti, nach Buͤffon cou- leurs accidentelles, nach Scherfer Scheinfarben; Au- gentaͤuſchungen und Geſichtsbetrug nach mehreren, nach Hamberger vitia fugitiva, nach Darwin ocular ſpectra. I. 1

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/55>, abgerufen am 23.04.2024.