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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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296.

Man hatte einen Lichtstrahl, der Bequemlichkeit
wegen, angenommen, weil die abstracte Linie die Stelle
von Millionen Strahlen vertritt; auch hatte man, bey
der gedachten Figur, der Schranke nicht erwähnt, weil
man sie voraussetzte: nun erwähnt Newton der
Schranke auch nicht, setzt sie auch nicht voraus, son-
dern übergeht, beseitigt sie und zeichnet seine Figur,
wie man bey uns in Nr. 2. sehen kann.

297.

Bedenke man aber, wie oben schon eingeleitet,
selbst bey diesen Figuren den Erfahrungsfall. Man
lasse unendliche Sonnenstrahlen durch den obern Halb-
kreis des dünnern Mittels auf den untern Halbkreis
des dichtern Mittels in einem Winkel von 45 Graden
fallen; auf welche Weise soll man denn aber beobachten
können, welch ein Verhältniß die auf die freye Hori-
zontallinie oder Fläche des dichtern Mittels fallenden
Lichtstrahlen nunmehr nach der Brechung haben?
Wie will man den Bezug des Einfallswinkels zum
Brechungswinkel auffinden? Man muß doch wohl erst
einen Punct geben, an welchem beyde bemerkbar zusam-
menstoßen können.

298.

Dieses ist auf keine Weise zu bewirken, als wenn
man irgend ein Hinderniß, eine Bedeckung, über die
eine Seite bis an den Mittelpunct schiebt. Und dieses

296.

Man hatte einen Lichtſtrahl, der Bequemlichkeit
wegen, angenommen, weil die abſtracte Linie die Stelle
von Millionen Strahlen vertritt; auch hatte man, bey
der gedachten Figur, der Schranke nicht erwaͤhnt, weil
man ſie vorausſetzte: nun erwaͤhnt Newton der
Schranke auch nicht, ſetzt ſie auch nicht voraus, ſon-
dern uͤbergeht, beſeitigt ſie und zeichnet ſeine Figur,
wie man bey uns in Nr. 2. ſehen kann.

297.

Bedenke man aber, wie oben ſchon eingeleitet,
ſelbſt bey dieſen Figuren den Erfahrungsfall. Man
laſſe unendliche Sonnenſtrahlen durch den obern Halb-
kreis des duͤnnern Mittels auf den untern Halbkreis
des dichtern Mittels in einem Winkel von 45 Graden
fallen; auf welche Weiſe ſoll man denn aber beobachten
koͤnnen, welch ein Verhaͤltniß die auf die freye Hori-
zontallinie oder Flaͤche des dichtern Mittels fallenden
Lichtſtrahlen nunmehr nach der Brechung haben?
Wie will man den Bezug des Einfallswinkels zum
Brechungswinkel auffinden? Man muß doch wohl erſt
einen Punct geben, an welchem beyde bemerkbar zuſam-
menſtoßen koͤnnen.

298.

Dieſes iſt auf keine Weiſe zu bewirken, als wenn
man irgend ein Hinderniß, eine Bedeckung, uͤber die
eine Seite bis an den Mittelpunct ſchiebt. Und dieſes

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[509/0563] 296. Man hatte einen Lichtſtrahl, der Bequemlichkeit wegen, angenommen, weil die abſtracte Linie die Stelle von Millionen Strahlen vertritt; auch hatte man, bey der gedachten Figur, der Schranke nicht erwaͤhnt, weil man ſie vorausſetzte: nun erwaͤhnt Newton der Schranke auch nicht, ſetzt ſie auch nicht voraus, ſon- dern uͤbergeht, beſeitigt ſie und zeichnet ſeine Figur, wie man bey uns in Nr. 2. ſehen kann. 297. Bedenke man aber, wie oben ſchon eingeleitet, ſelbſt bey dieſen Figuren den Erfahrungsfall. Man laſſe unendliche Sonnenſtrahlen durch den obern Halb- kreis des duͤnnern Mittels auf den untern Halbkreis des dichtern Mittels in einem Winkel von 45 Graden fallen; auf welche Weiſe ſoll man denn aber beobachten koͤnnen, welch ein Verhaͤltniß die auf die freye Hori- zontallinie oder Flaͤche des dichtern Mittels fallenden Lichtſtrahlen nunmehr nach der Brechung haben? Wie will man den Bezug des Einfallswinkels zum Brechungswinkel auffinden? Man muß doch wohl erſt einen Punct geben, an welchem beyde bemerkbar zuſam- menſtoßen koͤnnen. 298. Dieſes iſt auf keine Weiſe zu bewirken, als wenn man irgend ein Hinderniß, eine Bedeckung, uͤber die eine Seite bis an den Mittelpunct ſchiebt. Und dieſes

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/563>, abgerufen am 28.03.2024.