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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Schatten hervorbringt, daß an diesen Schatten Farben-
säume gesehen werden, und dieß sagt er zum Beweis
daß die Gränze des Lichtes und Schattens auf die Far-
be nicht einfließe! Man gebe uns ein Beyspiel in der
Geschichte der Wissenschaften, wo Hartnäckigkeit und
Unverschämtheit auf einen so hohen Grad getrieben
worden.

361.

Zuletzt kann jede Farbe, wenn man alle übrigen wegge-
nommen hat und sie allein bleibt, zugleich an beyden Seiten
vom Schatten begränzt seyn.

362.

Daß die schon entstandene Farbe des prismatischen
Bildes einzeln durch irgend eine Oeffnung gelassen
und isolirt werden könne, wird nicht geläugnet; daß
man durch das Stäbchen etwas ähnliches hervorbrin-
gen könne, ist natürlich: allein der aufmerksame Be-
obachter wird selbst an dieser entstandenen Farbe die
durch diese Einklemmung abgenöthigte entgegengesetzte
Farbe entstehen sehen, die bey der Unreinlichkeit dieses
Versuchs dem Unerfahrenen entgehen möchte. Ganz
vergeblich also zieht er den Schluß:

363.

Alle Farben verhalten sich gleichgültig zu den Gränzen
des Schattens.

Schatten hervorbringt, daß an dieſen Schatten Farben-
ſaͤume geſehen werden, und dieß ſagt er zum Beweis
daß die Graͤnze des Lichtes und Schattens auf die Far-
be nicht einfließe! Man gebe uns ein Beyſpiel in der
Geſchichte der Wiſſenſchaften, wo Hartnaͤckigkeit und
Unverſchaͤmtheit auf einen ſo hohen Grad getrieben
worden.

361.

Zuletzt kann jede Farbe, wenn man alle uͤbrigen wegge-
nommen hat und ſie allein bleibt, zugleich an beyden Seiten
vom Schatten begraͤnzt ſeyn.

362.

Daß die ſchon entſtandene Farbe des prismatiſchen
Bildes einzeln durch irgend eine Oeffnung gelaſſen
und iſolirt werden koͤnne, wird nicht gelaͤugnet; daß
man durch das Staͤbchen etwas aͤhnliches hervorbrin-
gen koͤnne, iſt natuͤrlich: allein der aufmerkſame Be-
obachter wird ſelbſt an dieſer entſtandenen Farbe die
durch dieſe Einklemmung abgenoͤthigte entgegengeſetzte
Farbe entſtehen ſehen, die bey der Unreinlichkeit dieſes
Verſuchs dem Unerfahrenen entgehen moͤchte. Ganz
vergeblich alſo zieht er den Schluß:

363.

Alle Farben verhalten ſich gleichguͤltig zu den Graͤnzen
des Schattens.

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[533/0587] Schatten hervorbringt, daß an dieſen Schatten Farben- ſaͤume geſehen werden, und dieß ſagt er zum Beweis daß die Graͤnze des Lichtes und Schattens auf die Far- be nicht einfließe! Man gebe uns ein Beyſpiel in der Geſchichte der Wiſſenſchaften, wo Hartnaͤckigkeit und Unverſchaͤmtheit auf einen ſo hohen Grad getrieben worden. 361. Zuletzt kann jede Farbe, wenn man alle uͤbrigen wegge- nommen hat und ſie allein bleibt, zugleich an beyden Seiten vom Schatten begraͤnzt ſeyn. 362. Daß die ſchon entſtandene Farbe des prismatiſchen Bildes einzeln durch irgend eine Oeffnung gelaſſen und iſolirt werden koͤnne, wird nicht gelaͤugnet; daß man durch das Staͤbchen etwas aͤhnliches hervorbrin- gen koͤnne, iſt natuͤrlich: allein der aufmerkſame Be- obachter wird ſelbſt an dieſer entſtandenen Farbe die durch dieſe Einklemmung abgenoͤthigte entgegengeſetzte Farbe entſtehen ſehen, die bey der Unreinlichkeit dieſes Verſuchs dem Unerfahrenen entgehen moͤchte. Ganz vergeblich alſo zieht er den Schluß: 363. Alle Farben verhalten ſich gleichguͤltig zu den Graͤnzen des Schattens.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/587>, abgerufen am 28.03.2024.