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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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der Tafel, ohne daß in der Refraction oder dem Schatten
oder dem Licht etwas wäre verändert worden.

390.

Er biegt seine Pappe hin und wieder und behaup-
tet, es sey in den Umständen nichts verändert worden.
Dasselbe behauptete er mit eben so wenig Genauigkeit
beym vorigen Experimente. Da er nun immer die
Hauptmomente übersieht und sich um seine Prämissen
nichts bekümmert, so ist sein ergo immer dasselbige.

391.

Es fällt uns bey dieser Gelegenheit ein, daß
Basedow, der ein starker Trinker war, und in seinen
besten Jahren in guter Gesellschaft einen sehr erfreuli-
chen Humor zeigte, stets zu behaupten pflegte: die
Conclusion ergo bibamus passe zu allen Prämissen.
Es ist schön Wetter, ergo bibamus! Es ist ein häßli-
cher Tag, ergo bibamus! Wir sind unter Freunden,
ergo bibamus! Es sind fatale Bursche in der Gesell-
schaft, ergo bibamus! So setzt auch Newton sein
ergo zu den verschiedensten Prämissen. Das gebrochne
Lichtbild ist ganz und stätig gefärbt; also ist das Licht
divers refrangibel. Es hat eine weiße Mitte; und doch
ist es divers refrangibel. Es ist einmal ganz weiß;
und doch ist es divers refrangibel. Und so schließt er
auch hier, nachdem er in diesen drey Experimenten dop-
pelt und dreyfach Ränder und Gränzen des Lichts und
Schattens gebraucht:

der Tafel, ohne daß in der Refraction oder dem Schatten
oder dem Licht etwas waͤre veraͤndert worden.

390.

Er biegt ſeine Pappe hin und wieder und behaup-
tet, es ſey in den Umſtaͤnden nichts veraͤndert worden.
Daſſelbe behauptete er mit eben ſo wenig Genauigkeit
beym vorigen Experimente. Da er nun immer die
Hauptmomente uͤberſieht und ſich um ſeine Praͤmiſſen
nichts bekuͤmmert, ſo iſt ſein ergo immer daſſelbige.

391.

Es faͤllt uns bey dieſer Gelegenheit ein, daß
Baſedow, der ein ſtarker Trinker war, und in ſeinen
beſten Jahren in guter Geſellſchaft einen ſehr erfreuli-
chen Humor zeigte, ſtets zu behaupten pflegte: die
Concluſion ergo bibamus paſſe zu allen Praͤmiſſen.
Es iſt ſchoͤn Wetter, ergo bibamus! Es iſt ein haͤßli-
cher Tag, ergo bibamus! Wir ſind unter Freunden,
ergo bibamus! Es ſind fatale Burſche in der Geſell-
ſchaft, ergo bibamus! So ſetzt auch Newton ſein
ergo zu den verſchiedenſten Praͤmiſſen. Das gebrochne
Lichtbild iſt ganz und ſtaͤtig gefaͤrbt; alſo iſt das Licht
divers refrangibel. Es hat eine weiße Mitte; und doch
iſt es divers refrangibel. Es iſt einmal ganz weiß;
und doch iſt es divers refrangibel. Und ſo ſchließt er
auch hier, nachdem er in dieſen drey Experimenten dop-
pelt und dreyfach Raͤnder und Graͤnzen des Lichts und
Schattens gebraucht:

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[542/0596] der Tafel, ohne daß in der Refraction oder dem Schatten oder dem Licht etwas waͤre veraͤndert worden. 390. Er biegt ſeine Pappe hin und wieder und behaup- tet, es ſey in den Umſtaͤnden nichts veraͤndert worden. Daſſelbe behauptete er mit eben ſo wenig Genauigkeit beym vorigen Experimente. Da er nun immer die Hauptmomente uͤberſieht und ſich um ſeine Praͤmiſſen nichts bekuͤmmert, ſo iſt ſein ergo immer daſſelbige. 391. Es faͤllt uns bey dieſer Gelegenheit ein, daß Baſedow, der ein ſtarker Trinker war, und in ſeinen beſten Jahren in guter Geſellſchaft einen ſehr erfreuli- chen Humor zeigte, ſtets zu behaupten pflegte: die Concluſion ergo bibamus paſſe zu allen Praͤmiſſen. Es iſt ſchoͤn Wetter, ergo bibamus! Es iſt ein haͤßli- cher Tag, ergo bibamus! Wir ſind unter Freunden, ergo bibamus! Es ſind fatale Burſche in der Geſell- ſchaft, ergo bibamus! So ſetzt auch Newton ſein ergo zu den verſchiedenſten Praͤmiſſen. Das gebrochne Lichtbild iſt ganz und ſtaͤtig gefaͤrbt; alſo iſt das Licht divers refrangibel. Es hat eine weiße Mitte; und doch iſt es divers refrangibel. Es iſt einmal ganz weiß; und doch iſt es divers refrangibel. Und ſo ſchließt er auch hier, nachdem er in dieſen drey Experimenten dop- pelt und dreyfach Raͤnder und Graͤnzen des Lichts und Schattens gebraucht:

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/596>, abgerufen am 25.04.2024.