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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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chung ward die Farbe des Lichtes niemals im mindesten
verändert.

421.

Wie es sich damit verhält, haben wir schon oben
gezeigt, und man gebe nur Acht, wohin diese absoluten
Assertionen, niemals, im mindesten, sogleich hin-
auslaufen werden.

422.

Wir anticipiren hier eine Bemerkung die eigent-
lich in die Geschichte der Farbenlehre gehört. Hauy
in seinem Handbuch der Physik wiederholt obige Be-
hauptung mit Newtons entschiedenen Worten; allein
der deutsche Uebersetzer ist genöthigt in einer Note an-
zufügen: "Ich werde unten Gelegenheit nehmen zu
sagen, von welchen Lichtarten des Farbenspectrums,
meinen eigenen Versuchen zufolge, dieß eigentlich gilt
und von welchen nicht." Dasjenige also, von dessen
absoluter Behauptung ganz allein die Haltbarkeit der
Newtonischen Lehre abhinge, gilt und gilt nicht. Hauy
spricht die Newtonische Lehre unbedingt aus, und so
wird sie im Lyceen-Unterricht jedem jungen Franzosen
unbedingt in den Kopf geprägt; der Deutsche muß
mit Bedingungen hervortreten, und doch ist jene durch
Bedingungen sogleich zerstörte Lehre noch immer die
gültige: sie wird gedruckt, übersetzt und das Publicum
muß diese Mährchen zum tausendstenmal bezahlen.

Aber in solchen Bedingungen ist Newton seinen

chung ward die Farbe des Lichtes niemals im mindeſten
veraͤndert.

421.

Wie es ſich damit verhaͤlt, haben wir ſchon oben
gezeigt, und man gebe nur Acht, wohin dieſe abſoluten
Aſſertionen, niemals, im mindeſten, ſogleich hin-
auslaufen werden.

422.

Wir anticipiren hier eine Bemerkung die eigent-
lich in die Geſchichte der Farbenlehre gehoͤrt. Hauy
in ſeinem Handbuch der Phyſik wiederholt obige Be-
hauptung mit Newtons entſchiedenen Worten; allein
der deutſche Ueberſetzer iſt genoͤthigt in einer Note an-
zufuͤgen: „Ich werde unten Gelegenheit nehmen zu
ſagen, von welchen Lichtarten des Farbenſpectrums,
meinen eigenen Verſuchen zufolge, dieß eigentlich gilt
und von welchen nicht.“ Dasjenige alſo, von deſſen
abſoluter Behauptung ganz allein die Haltbarkeit der
Newtoniſchen Lehre abhinge, gilt und gilt nicht. Hauy
ſpricht die Newtoniſche Lehre unbedingt aus, und ſo
wird ſie im Lyceen-Unterricht jedem jungen Franzoſen
unbedingt in den Kopf gepraͤgt; der Deutſche muß
mit Bedingungen hervortreten, und doch iſt jene durch
Bedingungen ſogleich zerſtoͤrte Lehre noch immer die
guͤltige: ſie wird gedruckt, uͤberſetzt und das Publicum
muß dieſe Maͤhrchen zum tauſendſtenmal bezahlen.

Aber in ſolchen Bedingungen iſt Newton ſeinen

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[550/0604] chung ward die Farbe des Lichtes niemals im mindeſten veraͤndert. 421. Wie es ſich damit verhaͤlt, haben wir ſchon oben gezeigt, und man gebe nur Acht, wohin dieſe abſoluten Aſſertionen, niemals, im mindeſten, ſogleich hin- auslaufen werden. 422. Wir anticipiren hier eine Bemerkung die eigent- lich in die Geſchichte der Farbenlehre gehoͤrt. Hauy in ſeinem Handbuch der Phyſik wiederholt obige Be- hauptung mit Newtons entſchiedenen Worten; allein der deutſche Ueberſetzer iſt genoͤthigt in einer Note an- zufuͤgen: „Ich werde unten Gelegenheit nehmen zu ſagen, von welchen Lichtarten des Farbenſpectrums, meinen eigenen Verſuchen zufolge, dieß eigentlich gilt und von welchen nicht.“ Dasjenige alſo, von deſſen abſoluter Behauptung ganz allein die Haltbarkeit der Newtoniſchen Lehre abhinge, gilt und gilt nicht. Hauy ſpricht die Newtoniſche Lehre unbedingt aus, und ſo wird ſie im Lyceen-Unterricht jedem jungen Franzoſen unbedingt in den Kopf gepraͤgt; der Deutſche muß mit Bedingungen hervortreten, und doch iſt jene durch Bedingungen ſogleich zerſtoͤrte Lehre noch immer die guͤltige: ſie wird gedruckt, uͤberſetzt und das Publicum muß dieſe Maͤhrchen zum tauſendſtenmal bezahlen. Aber in ſolchen Bedingungen iſt Newton ſeinen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/604>, abgerufen am 24.04.2024.