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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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fallenden Strahlen mit einander parallel werden; da
denn auch, nach aufgehobener Brechung, die Farben-
erscheinung verschwunden seyn soll.

468.

Wir übersetzen und bestreiten dieses Experiment
nicht, indem dessen Unstatthaftigkeit von Jedermann
anerkannt ist: denn daß Newton hier einen wichtigen
Umstand übersehen, mußte sogleich in die Augen fallen,
als die Achromasie bey fortdauernder Refraction, oder
umgekehrt die Chromasie bey aufgehobener Refraction,
entdeckt war.

469.

Indessen war es sehr verzeihlich, daß Newton hier
nicht genau nachspürte. Denn da er den Grund der
Farbenerscheinung in die Refraction selbst legte, da er
die Brechbarkeit, die verschiedene Brechbarkeit ausge-
sprochen und festgesetzt hatte; so war nichts natürlicher
als daß er die Wirkung der Ursache gleich setzte, daß
er glaubte und behauptete, ein Mittel das mehr breche,
müsse auch die Farben stärker hervorbringen, und in-
dem es die Brechung eines andern aufhebe, auch zu-
gleich die Farbenerscheinung wegnehmen. Denn indem
die Brechbarkeit aus der Brechung entspringt, so muß
sie ja mit ihr gleichen Schritt halten.

470.

Man hat sich verwundert, daß ein so genauer

fallenden Strahlen mit einander parallel werden; da
denn auch, nach aufgehobener Brechung, die Farben-
erſcheinung verſchwunden ſeyn ſoll.

468.

Wir uͤberſetzen und beſtreiten dieſes Experiment
nicht, indem deſſen Unſtatthaftigkeit von Jedermann
anerkannt iſt: denn daß Newton hier einen wichtigen
Umſtand uͤberſehen, mußte ſogleich in die Augen fallen,
als die Achromaſie bey fortdauernder Refraction, oder
umgekehrt die Chromaſie bey aufgehobener Refraction,
entdeckt war.

469.

Indeſſen war es ſehr verzeihlich, daß Newton hier
nicht genau nachſpuͤrte. Denn da er den Grund der
Farbenerſcheinung in die Refraction ſelbſt legte, da er
die Brechbarkeit, die verſchiedene Brechbarkeit ausge-
ſprochen und feſtgeſetzt hatte; ſo war nichts natuͤrlicher
als daß er die Wirkung der Urſache gleich ſetzte, daß
er glaubte und behauptete, ein Mittel das mehr breche,
muͤſſe auch die Farben ſtaͤrker hervorbringen, und in-
dem es die Brechung eines andern aufhebe, auch zu-
gleich die Farbenerſcheinung wegnehmen. Denn indem
die Brechbarkeit aus der Brechung entſpringt, ſo muß
ſie ja mit ihr gleichen Schritt halten.

470.

Man hat ſich verwundert, daß ein ſo genauer

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[566/0620] fallenden Strahlen mit einander parallel werden; da denn auch, nach aufgehobener Brechung, die Farben- erſcheinung verſchwunden ſeyn ſoll. 468. Wir uͤberſetzen und beſtreiten dieſes Experiment nicht, indem deſſen Unſtatthaftigkeit von Jedermann anerkannt iſt: denn daß Newton hier einen wichtigen Umſtand uͤberſehen, mußte ſogleich in die Augen fallen, als die Achromaſie bey fortdauernder Refraction, oder umgekehrt die Chromaſie bey aufgehobener Refraction, entdeckt war. 469. Indeſſen war es ſehr verzeihlich, daß Newton hier nicht genau nachſpuͤrte. Denn da er den Grund der Farbenerſcheinung in die Refraction ſelbſt legte, da er die Brechbarkeit, die verſchiedene Brechbarkeit ausge- ſprochen und feſtgeſetzt hatte; ſo war nichts natuͤrlicher als daß er die Wirkung der Urſache gleich ſetzte, daß er glaubte und behauptete, ein Mittel das mehr breche, muͤſſe auch die Farben ſtaͤrker hervorbringen, und in- dem es die Brechung eines andern aufhebe, auch zu- gleich die Farbenerſcheinung wegnehmen. Denn indem die Brechbarkeit aus der Brechung entſpringt, ſo muß ſie ja mit ihr gleichen Schritt halten. 470. Man hat ſich verwundert, daß ein ſo genauer

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/620>, abgerufen am 29.03.2024.