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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Vierte Proposition. Drittes Theorem.
Man kann Farben durch Zusammensetzung hervor-
bringen, welche den Farben des homogenen Lichts
gleich sind, dem Ansehn der Farben nach, aber
keineswegs was ihre Unveränderlichkeit und die
Constitution des Lichtes betrifft. Und jemehr
man diese Farben zusammensetzt, destoweniger
satt und stark werden sie, ja sie können, wenn
man sie allzu sehr zusammensetzt, so diluirt und
geschwächt werden, daß sie verschwinden und sich
in Weiß oder Grau verwandeln. Auch lassen
sich Farben durch Zusammensetzung hervorbrin-
gen, welche nicht vollkommen den Farben des ho-
mogenen Lichtes gleich sind.
488.

Was diese Proposition hier bedeuten solle, wie sie
mit dem Vorhergehenden eigentlich zusammenhange
und was sie für die Folge beabsichtige, müssen wir
vor allen Dingen unsern Lesern deutlich zu machen su-
chen. Die falsche Ansicht des Spectrums, daß es ur-
sprünglich aus einer stätigen Farbenreihe bestehe, hatte
Newton in dem Vorhergehenden noch mehr befestigt,
indem er darin eine der Tonleiter ähnliche Scale ge-
funden haben wollte.

Vierte Propoſition. Drittes Theorem.
Man kann Farben durch Zuſammenſetzung hervor-
bringen, welche den Farben des homogenen Lichts
gleich ſind, dem Anſehn der Farben nach, aber
keineswegs was ihre Unveraͤnderlichkeit und die
Conſtitution des Lichtes betrifft. Und jemehr
man dieſe Farben zuſammenſetzt, deſtoweniger
ſatt und ſtark werden ſie, ja ſie koͤnnen, wenn
man ſie allzu ſehr zuſammenſetzt, ſo diluirt und
geſchwaͤcht werden, daß ſie verſchwinden und ſich
in Weiß oder Grau verwandeln. Auch laſſen
ſich Farben durch Zuſammenſetzung hervorbrin-
gen, welche nicht vollkommen den Farben des ho-
mogenen Lichtes gleich ſind.
488.

Was dieſe Propoſition hier bedeuten ſolle, wie ſie
mit dem Vorhergehenden eigentlich zuſammenhange
und was ſie fuͤr die Folge beabſichtige, muͤſſen wir
vor allen Dingen unſern Leſern deutlich zu machen ſu-
chen. Die falſche Anſicht des Spectrums, daß es ur-
ſpruͤnglich aus einer ſtaͤtigen Farbenreihe beſtehe, hatte
Newton in dem Vorhergehenden noch mehr befeſtigt,
indem er darin eine der Tonleiter aͤhnliche Scale ge-
funden haben wollte.

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[572/0626] Vierte Propoſition. Drittes Theorem. Man kann Farben durch Zuſammenſetzung hervor- bringen, welche den Farben des homogenen Lichts gleich ſind, dem Anſehn der Farben nach, aber keineswegs was ihre Unveraͤnderlichkeit und die Conſtitution des Lichtes betrifft. Und jemehr man dieſe Farben zuſammenſetzt, deſtoweniger ſatt und ſtark werden ſie, ja ſie koͤnnen, wenn man ſie allzu ſehr zuſammenſetzt, ſo diluirt und geſchwaͤcht werden, daß ſie verſchwinden und ſich in Weiß oder Grau verwandeln. Auch laſſen ſich Farben durch Zuſammenſetzung hervorbrin- gen, welche nicht vollkommen den Farben des ho- mogenen Lichtes gleich ſind. 488. Was dieſe Propoſition hier bedeuten ſolle, wie ſie mit dem Vorhergehenden eigentlich zuſammenhange und was ſie fuͤr die Folge beabſichtige, muͤſſen wir vor allen Dingen unſern Leſern deutlich zu machen ſu- chen. Die falſche Anſicht des Spectrums, daß es ur- ſpruͤnglich aus einer ſtaͤtigen Farbenreihe beſtehe, hatte Newton in dem Vorhergehenden noch mehr befeſtigt, indem er darin eine der Tonleiter aͤhnliche Scale ge- funden haben wollte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/626>, abgerufen am 19.04.2024.