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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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und Violett hinzuthun, und das Grüne wird nicht gleich
verschwinden, sondern nur weniger voll und lebhaft werden.
Thut man noch mehr Roth und Violett hinzu, so wird es
immer mehr und mehr verdünnt, bis durch das Uebergewicht
von hinzugethanen Farben es überwältigt und in Weiß oder
in irgend eine andre Farbe verwandelt wird.

502.

Hier tritt wieder das Hauptübel der Newionischen
Lehre herein, daß sie das skieron der Farbe verkennt,
und immer glaubt mit Lichtern zu thun zu haben. Es
sind aber keinesweges Lichter, sondern Halblichter, Halb-
schatten, welche durch gewisse Bedingungen als ver-
schiedenfarbig erscheinen. Bringt man nun diese ver-
schiedenen Halblichter, diese Halbschatten übereinander,
so werden sie zwar nach und nach ihre Specification
aufgeben, sie werden aufhören, Blau, Gelb oder
Roth zu seyn; aber sie werden keinesweges dadurch
diluirt. Der Fleck des weißen Papiers auf den man
sie wirft, wird dadurch dunkler; es entsteht ein Halb-
licht, ein Halbschatten aus soviel andern Halblichtern,
Halbschatten zusammengesetzt.

503.

So wird, wenn man zu der Farbe von irgend einem
homogenen Lichte das weiße Sonnenlicht, das aus allen
Arten Strahlen zusammengesetzt ist, hinzuthut, diese Farbe
nicht verschwinden, oder ihre Art verändern, aber immer
mehr und mehr verdünnt werden.

I. 37

und Violett hinzuthun, und das Gruͤne wird nicht gleich
verſchwinden, ſondern nur weniger voll und lebhaft werden.
Thut man noch mehr Roth und Violett hinzu, ſo wird es
immer mehr und mehr verduͤnnt, bis durch das Uebergewicht
von hinzugethanen Farben es uͤberwaͤltigt und in Weiß oder
in irgend eine andre Farbe verwandelt wird.

502.

Hier tritt wieder das Hauptuͤbel der Newioniſchen
Lehre herein, daß ſie das σκιερὸν der Farbe verkennt,
und immer glaubt mit Lichtern zu thun zu haben. Es
ſind aber keinesweges Lichter, ſondern Halblichter, Halb-
ſchatten, welche durch gewiſſe Bedingungen als ver-
ſchiedenfarbig erſcheinen. Bringt man nun dieſe ver-
ſchiedenen Halblichter, dieſe Halbſchatten uͤbereinander,
ſo werden ſie zwar nach und nach ihre Specification
aufgeben, ſie werden aufhoͤren, Blau, Gelb oder
Roth zu ſeyn; aber ſie werden keinesweges dadurch
diluirt. Der Fleck des weißen Papiers auf den man
ſie wirft, wird dadurch dunkler; es entſteht ein Halb-
licht, ein Halbſchatten aus ſoviel andern Halblichtern,
Halbſchatten zuſammengeſetzt.

503.

So wird, wenn man zu der Farbe von irgend einem
homogenen Lichte das weiße Sonnenlicht, das aus allen
Arten Strahlen zuſammengeſetzt iſt, hinzuthut, dieſe Farbe
nicht verſchwinden, oder ihre Art veraͤndern, aber immer
mehr und mehr verduͤnnt werden.

I. 37
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[577/0631] und Violett hinzuthun, und das Gruͤne wird nicht gleich verſchwinden, ſondern nur weniger voll und lebhaft werden. Thut man noch mehr Roth und Violett hinzu, ſo wird es immer mehr und mehr verduͤnnt, bis durch das Uebergewicht von hinzugethanen Farben es uͤberwaͤltigt und in Weiß oder in irgend eine andre Farbe verwandelt wird. 502. Hier tritt wieder das Hauptuͤbel der Newioniſchen Lehre herein, daß ſie das σκιερὸν der Farbe verkennt, und immer glaubt mit Lichtern zu thun zu haben. Es ſind aber keinesweges Lichter, ſondern Halblichter, Halb- ſchatten, welche durch gewiſſe Bedingungen als ver- ſchiedenfarbig erſcheinen. Bringt man nun dieſe ver- ſchiedenen Halblichter, dieſe Halbſchatten uͤbereinander, ſo werden ſie zwar nach und nach ihre Specification aufgeben, ſie werden aufhoͤren, Blau, Gelb oder Roth zu ſeyn; aber ſie werden keinesweges dadurch diluirt. Der Fleck des weißen Papiers auf den man ſie wirft, wird dadurch dunkler; es entſteht ein Halb- licht, ein Halbſchatten aus ſoviel andern Halblichtern, Halbſchatten zuſammengeſetzt. 503. So wird, wenn man zu der Farbe von irgend einem homogenen Lichte das weiße Sonnenlicht, das aus allen Arten Strahlen zuſammengeſetzt iſt, hinzuthut, dieſe Farbe nicht verſchwinden, oder ihre Art veraͤndern, aber immer mehr und mehr verduͤnnt werden. I. 37

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/631>, abgerufen am 18.04.2024.