Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Farbenscale Roth nennt, ist eigentlich nur Gelbroth,
und er hat also unter seinen primitiven Farben nicht
einmal ein vollkommenes Roth. Aber so muß es allen
ergehen, die von der Natur abweichen, welche das
Hinterste zu vörderst stellen, das Abgeleitete zum Ur-
sprünglichen erheben, das Ursprüngliche zum Abgeleite-
ten erniedrigen, das Zusammengesetzte einfach, das
Einfache zusammengesetzt nennen. Alles muß bey ih-
nen verkehrt werden, weil das erste verkehrt war;
und doch finden sich Geister vorzüglicher Art, die sich
auch am Verkehrten erfreuen.

507.

Und aus diesen Purpurfarben, wenn man Gelb und
Blau hinzumischt, können wieder andre neue Farben erzeugt
werden.

508.

Und so hätte er denn sein Mischen und Mengen
auf die confuseste Weise zu Stande gebracht; worauf
es aber eigentlich angesehn ist, zeigt sich im folgenden.

Durch diese Mischung der Farben sucht er ihre
specifische Wirkung endlich zu neutralisiren, und möchte
gar zu gern aus ihnen Weiß hervorbringen; welches
ihm zwar in der Erfahrung nicht geräth, ob er gleich
mit Worten immer versichert, daß es möglich und thu-
lich sey.



37 *

Farbenſcale Roth nennt, iſt eigentlich nur Gelbroth,
und er hat alſo unter ſeinen primitiven Farben nicht
einmal ein vollkommenes Roth. Aber ſo muß es allen
ergehen, die von der Natur abweichen, welche das
Hinterſte zu voͤrderſt ſtellen, das Abgeleitete zum Ur-
ſpruͤnglichen erheben, das Urſpruͤngliche zum Abgeleite-
ten erniedrigen, das Zuſammengeſetzte einfach, das
Einfache zuſammengeſetzt nennen. Alles muß bey ih-
nen verkehrt werden, weil das erſte verkehrt war;
und doch finden ſich Geiſter vorzuͤglicher Art, die ſich
auch am Verkehrten erfreuen.

507.

Und aus dieſen Purpurfarben, wenn man Gelb und
Blau hinzumiſcht, koͤnnen wieder andre neue Farben erzeugt
werden.

508.

Und ſo haͤtte er denn ſein Miſchen und Mengen
auf die confuſeſte Weiſe zu Stande gebracht; worauf
es aber eigentlich angeſehn iſt, zeigt ſich im folgenden.

Durch dieſe Miſchung der Farben ſucht er ihre
ſpecifiſche Wirkung endlich zu neutraliſiren, und moͤchte
gar zu gern aus ihnen Weiß hervorbringen; welches
ihm zwar in der Erfahrung nicht geraͤth, ob er gleich
mit Worten immer verſichert, daß es moͤglich und thu-
lich ſey.



37 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0633" n="579"/>
Farben&#x017F;cale Roth nennt, i&#x017F;t eigentlich nur Gelbroth,<lb/>
und er hat al&#x017F;o unter &#x017F;einen primitiven Farben nicht<lb/>
einmal ein vollkommenes Roth. Aber &#x017F;o muß es allen<lb/>
ergehen, die von der Natur abweichen, welche das<lb/>
Hinter&#x017F;te zu vo&#x0364;rder&#x017F;t &#x017F;tellen, das Abgeleitete zum Ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglichen erheben, das Ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche zum Abgeleite-<lb/>
ten erniedrigen, das Zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte einfach, das<lb/>
Einfache zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt nennen. Alles muß bey ih-<lb/>
nen verkehrt werden, weil das er&#x017F;te verkehrt war;<lb/>
und doch finden &#x017F;ich Gei&#x017F;ter vorzu&#x0364;glicher Art, die &#x017F;ich<lb/>
auch am Verkehrten erfreuen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>507.</head><lb/>
              <p>Und aus die&#x017F;en Purpurfarben, wenn man Gelb und<lb/>
Blau hinzumi&#x017F;cht, ko&#x0364;nnen wieder andre neue Farben erzeugt<lb/>
werden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>508.</head><lb/>
              <p>Und &#x017F;o ha&#x0364;tte er denn &#x017F;ein Mi&#x017F;chen und Mengen<lb/>
auf die confu&#x017F;e&#x017F;te Wei&#x017F;e zu Stande gebracht; worauf<lb/>
es aber eigentlich ange&#x017F;ehn i&#x017F;t, zeigt &#x017F;ich im folgenden.</p><lb/>
              <p>Durch die&#x017F;e Mi&#x017F;chung der Farben &#x017F;ucht er ihre<lb/>
&#x017F;pecifi&#x017F;che Wirkung endlich zu neutrali&#x017F;iren, und mo&#x0364;chte<lb/>
gar zu gern aus ihnen Weiß hervorbringen; welches<lb/>
ihm zwar in der Erfahrung nicht gera&#x0364;th, ob er gleich<lb/>
mit Worten immer ver&#x017F;ichert, daß es mo&#x0364;glich und thu-<lb/>
lich &#x017F;ey.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">37 *</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[579/0633] Farbenſcale Roth nennt, iſt eigentlich nur Gelbroth, und er hat alſo unter ſeinen primitiven Farben nicht einmal ein vollkommenes Roth. Aber ſo muß es allen ergehen, die von der Natur abweichen, welche das Hinterſte zu voͤrderſt ſtellen, das Abgeleitete zum Ur- ſpruͤnglichen erheben, das Urſpruͤngliche zum Abgeleite- ten erniedrigen, das Zuſammengeſetzte einfach, das Einfache zuſammengeſetzt nennen. Alles muß bey ih- nen verkehrt werden, weil das erſte verkehrt war; und doch finden ſich Geiſter vorzuͤglicher Art, die ſich auch am Verkehrten erfreuen. 507. Und aus dieſen Purpurfarben, wenn man Gelb und Blau hinzumiſcht, koͤnnen wieder andre neue Farben erzeugt werden. 508. Und ſo haͤtte er denn ſein Miſchen und Mengen auf die confuſeſte Weiſe zu Stande gebracht; worauf es aber eigentlich angeſehn iſt, zeigt ſich im folgenden. Durch dieſe Miſchung der Farben ſucht er ihre ſpecifiſche Wirkung endlich zu neutraliſiren, und moͤchte gar zu gern aus ihnen Weiß hervorbringen; welches ihm zwar in der Erfahrung nicht geraͤth, ob er gleich mit Worten immer verſichert, daß es moͤglich und thu- lich ſey. 37 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/633
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/633>, abgerufen am 19.04.2024.