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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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liegen, daß alsdann an den Puncten B und c keine
Farben entspringen können, weil Glas an Glas un-
mittelbar anstößt, Durchsichtiges sich mit Durchsichtigem
verbindet und also keine Gränze hervorgebracht wird.

554.

Da jedoch Newton in dem Folgenden behauptet,
was wir ihm auch zugeben können, daß das Phäno-
men statt finde, wenn die beyden Winkel B und c sich
einander nicht unmittelbar berühren; so müssen wir
nur genau erwägen, was alsdann vorgeht, weil hier
die Newtonische falsche Lehre sich der wahren annä-
hert. Die Erscheinung ist erst im Werden; an dem
Puncte c entspringt, wie schon gesagt, das Blaue
und Blaurothe, an dem Puncte B das Gelbrothe und
Gelbe. Führt man diese nun auf der Tafel genau
übereinander, so muß das Blaue das Gelbrothe, und
das Blaurothe das Gelbe aufheben und neutralisiren,
und weil alsdann zwischen M und N, wo die andern
Farbensäume erscheinen, das übrige noch weiß ist, auch
die Stelle wo jene farbigen Ränder über einander fallen,
farblos wird; so muß der ganze Raum weiß erscheinen.

555.

Man gehe nun mit der Tafel weiter zurück, so
daß das Spectrum sich vollendet und das Grüne in
der Mitte sich darstellt, und man wird sich vergebens
bemühen, durch Uebereinanderwerfen der Theile oder
des Ganzen farblose Stellen hervorzubringen. Denn

liegen, daß alsdann an den Puncten B und c keine
Farben entſpringen koͤnnen, weil Glas an Glas un-
mittelbar anſtoͤßt, Durchſichtiges ſich mit Durchſichtigem
verbindet und alſo keine Graͤnze hervorgebracht wird.

554.

Da jedoch Newton in dem Folgenden behauptet,
was wir ihm auch zugeben koͤnnen, daß das Phaͤno-
men ſtatt finde, wenn die beyden Winkel B und c ſich
einander nicht unmittelbar beruͤhren; ſo muͤſſen wir
nur genau erwaͤgen, was alsdann vorgeht, weil hier
die Newtoniſche falſche Lehre ſich der wahren annaͤ-
hert. Die Erſcheinung iſt erſt im Werden; an dem
Puncte c entſpringt, wie ſchon geſagt, das Blaue
und Blaurothe, an dem Puncte B das Gelbrothe und
Gelbe. Fuͤhrt man dieſe nun auf der Tafel genau
uͤbereinander, ſo muß das Blaue das Gelbrothe, und
das Blaurothe das Gelbe aufheben und neutraliſiren,
und weil alsdann zwiſchen M und N, wo die andern
Farbenſaͤume erſcheinen, das uͤbrige noch weiß iſt, auch
die Stelle wo jene farbigen Raͤnder uͤber einander fallen,
farblos wird; ſo muß der ganze Raum weiß erſcheinen.

555.

Man gehe nun mit der Tafel weiter zuruͤck, ſo
daß das Spectrum ſich vollendet und das Gruͤne in
der Mitte ſich darſtellt, und man wird ſich vergebens
bemuͤhen, durch Uebereinanderwerfen der Theile oder
des Ganzen farbloſe Stellen hervorzubringen. Denn

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[599/0653] liegen, daß alsdann an den Puncten B und c keine Farben entſpringen koͤnnen, weil Glas an Glas un- mittelbar anſtoͤßt, Durchſichtiges ſich mit Durchſichtigem verbindet und alſo keine Graͤnze hervorgebracht wird. 554. Da jedoch Newton in dem Folgenden behauptet, was wir ihm auch zugeben koͤnnen, daß das Phaͤno- men ſtatt finde, wenn die beyden Winkel B und c ſich einander nicht unmittelbar beruͤhren; ſo muͤſſen wir nur genau erwaͤgen, was alsdann vorgeht, weil hier die Newtoniſche falſche Lehre ſich der wahren annaͤ- hert. Die Erſcheinung iſt erſt im Werden; an dem Puncte c entſpringt, wie ſchon geſagt, das Blaue und Blaurothe, an dem Puncte B das Gelbrothe und Gelbe. Fuͤhrt man dieſe nun auf der Tafel genau uͤbereinander, ſo muß das Blaue das Gelbrothe, und das Blaurothe das Gelbe aufheben und neutraliſiren, und weil alsdann zwiſchen M und N, wo die andern Farbenſaͤume erſcheinen, das uͤbrige noch weiß iſt, auch die Stelle wo jene farbigen Raͤnder uͤber einander fallen, farblos wird; ſo muß der ganze Raum weiß erſcheinen. 555. Man gehe nun mit der Tafel weiter zuruͤck, ſo daß das Spectrum ſich vollendet und das Gruͤne in der Mitte ſich darſtellt, und man wird ſich vergebens bemuͤhen, durch Uebereinanderwerfen der Theile oder des Ganzen farbloſe Stellen hervorzubringen. Denn

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/653>, abgerufen am 19.04.2024.